Nur Fuer Schokolade
unter ihm und schlagartig verharrt er in seinen Bewegungen. Die junge Frau scheint das Geräusch ebenfalls gehört zu haben. Er muß besser aufpassen, wo er hintritt, denkt er.
Die Stimmung wird anders; die Dämmerung und die entstehenden Schattenspiele lassen Iwona unruhig werden. Sie geht schneller, will jetzt möglichst bald ankommen. Sie scheint zu bemerken, daß ihr etwas folgt, sieht aber nichts und niemanden, als sie sich umdreht. Nervös wird sie immer schneller. Doch das merkwürdige Rascheln verfolgt sie weiter, scheinbar ebenfalls in schnellerem Tempo. Immer wieder dreht sie sich um, ahnt, daß das, was sich ihr da nähert, Gefahr bedeutet. Aber niemand außer ihr scheint da zu sein. Da springt Leszek Pekalski auf sie zu, direkt aus einem Gebüsch, neben dem sie steht. Er packt die Frau mit beiden Händen, reißt sie herum, greift dann nach den schönen, blonden Haaren, die ihm besonders gut gefallen. Mit einem Ruck reißt er Iwona zu Boden. Sie schreit, liegt vor ihm, schutz- und wehrlos. Und noch bevor sie die Situation begreift, hat Pekalski ein Messer gezückt. Sie bittet um Gnade, leise, wimmernd, verwirrt und erschrocken. Pekalski spricht kein Wort: er steht über ihr, grinst, betatscht seine Hose und droht ihr mit dem Messer.
Langsam beugt er sich zu ihr hinunter. Er steckt das Messer weg und greift nach ihrer Tasche, reißt sie an sich und legt ihr den Umhängeriemen um den Hals. Iwona ist starr vor Angst, blickt in seine Augen.
Sekundenschnell tötet er sie. Dann schändet er die Leiche.
Als er fertig ist, bemerkt er die goldenen Ringe an ihren Fingern und ihre Uhr und streift sie ab.
Am nächsten Morgen will er diesen Platz, verlassen. Er zieht den leblosen Körper Iwonas an den Beinen zum Flußufer. Am hohen Uferrand legt er sie in Position und befördert sie mit einem kräftigen Tritt die Böschung hinunter. Er ergötzt sich daran, wie der Körper, sich überschlagend, auf die Wasseroberfläche trifft und versinkt.
Leszek Pekalski geht hinterher, wäscht sich das Blut von den Händen und aus dem Gesicht und verläßt den Ort. Auf seinem Weg wirft er Steine über die Wasseroberfläche.
Ein Monster wird durchleuchtet
Prozeßauftakt
Nach drei Jahren Ermittlungen beginnt der Prozeß gegen den größten Massenmörder in der polnischen Kriminalgeschichte, Leszek Pekalski. Ganz Polen konzentriert sich auf ihn. In allen Massenmedien wird berichtet, entsprechend groß ist das öffentliche Aufsehen (und die internen Schwierigkeiten der Staatsanwaltschaft), als eine Zeitung ein aktuelles Foto des Angeklagten veröffentlicht. Man sieht, daß der Fotograf dieses im Gefängnis von Slupsk gemacht haben muß. Die Staatsanwaltschaft versucht, die undichte Stelle, durch die dieses Material nach außen gelang, zu finden. Aber der einzige, der wissen muß, wer für diesen Skandal gesorgt hat, Leszek Pekalski, schweigt beharrlich. Obwohl die Justizbeamten inzwischen sein herausragendes Gedächtnis und sein Erinnerungsvermögen kennen, will er sich nicht mehr erinnern.
Sein Kommentar zu diesem Vorfall: »Ich wollte das Honorar, mehr sage ich nicht dazu.«
Fünf Tage nach der Veröffentlichung dieses Fotos beginnt der Prozeß gegen Pekalski. In die nicht öffentliche Sitzung werden nur ausgesuchte Reporter gelassen, und sogar diese müssen bei besonders bedeutsamen Aussagen Leszeks den Sitzungssaal verlassen. Es wird darauf geachtet, daß die Angehörigen der Opfer und die ermittelnden Beamten nicht anwesend sind. Diese Verhandlung soll zum größten Prozeß werden, seit es die Demokratie in Polen gibt. Ein hoher Polizeibeamter gibt eines Tages zu verstehen, daß der Prozeß Modellcharakter erhalten soll; es solle deutlich gezeigt werden, daß die Gerichte Polens funktionieren, man will die Befreiung des Landes von der Gewaltherrschaft des Kommunismus demonstrieren.
Es ist der 2. April 1996 gegen 8 Uhr morgens. Das gesamte Gerichtsgebäude ist von polnischen Medienleuten umringt.
Alles wartet gespannt auf die Ankunft Leszek Pekalskis. Die Protokollführerin muß sich mit 67 Aktenordnern durch das riesige Gedränge von Fotografen und Reportern in den Sitzungssaal kämpfen. Alle wollen wenigstens ein Foto von ihm, da bekannt wird, daß er während der Haft 30 Kilogramm zugenommen hat. Um 9.30 Uhr fährt der graublaue Gefangenentransporter mit dem streng bewachten Angeklagten vor. Dieser wird über einen separaten Seiteneingang in den Innenhof des Gebäudes gebracht, der für die wartenden Fotografen nicht
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