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Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep

Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep

Titel: Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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an und ging hinaus in die Dunkelheit.
    Dort stand sie auf dem Kiesweg, blickte hinauf zu den Sternen, die jetzt von einem Nebelschleier verdeckt waren, und lauschte auf die leisen Geräusche der Nacht. Ein leiser Schauder überlief sie, als ihr klar wurde, was sie in diesem Moment wirklich wollte: nicht Luft schnappen, sondern Duncan anrufen, um sich zu versichern, dass ihre eigene Welt noch in Ordnung war.

4. Kapitel
    Kennst du das Land im hohen Norden,
    Wo hausen kiltberockte Horden,
    Die sackpfeifend das Ohr ermorden –
    O, dort wag’ dich gewiss nie her!
    Das grause Moorhuhn hörst du tuten,
    Und Nessie lauert in den Fluten,
    Kalt ist’s, dass dir die Zehen bluten –
    Sei’s drum – sie stell’n hier Whisky her!
    Unbekannter schottischer Dichter
    Carnmore, November 1898
    Gegen Morgen hatte der Wind sich gelegt, und um das Gutshaus herum war alles von einer wogenden weißen Decke überzogen. Sehen konnte Will dies allerdings nur, wenn er zu den vorderen Fenstern hinausschaute, da die Rückseite des Hauses vollständig von Schneewehen bedeckt war.
    Er hatte den Rest der Nacht in der Wohnstube verbracht, wo er im Sessel geschlafen hatte und zwischendurch mehrmals aufgestanden war, um das Feuer zu schüren und zuzusehen, wie seine Mutter seinen Vater umsorgte, der von Stunde zu Stunde unruhiger wurde und in Fieberfantasien verfiel. Als der Morgen dämmerte, begann Charles vor sich hin zu murmeln und sich an den Hals zu fassen, als ob er Schmerzen hätte. Einzig das heiße Wasser mit Whisky und Honig, das sie ihm mit dem Löffel einflößten, schien ihm Linderung zu verschaffen.
    Im kalten Morgenlicht, das durch die Fenster drang, sah Will, dass das Gesicht seiner Mutter fahl vor Erschöpfung war. Ein paar Strähnen ihres dichten schwarzen Haars hatten sich aus dem Knoten an ihrem Hinterkopf gelöst, und zum ersten Mal entdeckte er darunter einen einzelnen Silberfaden.
    »Er glüht vor Fieber«, sagte sie leise, indem sie die Stirn seines Vaters flüchtig mit dem Handrücken berührte.
    »Mutter«, flüsterte Will, »lass mich bei ihm wachen, dann kannst du dich eine Weile ausruhen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Will. Ich bleibe hier bei ihm. In der Küche ist Porridge für dich, und nachher solltest du einmal versuchen, ob du zum Stall durchkommen kannst.«
    Will warf noch einen letzten Blick auf das gerötete Gesicht seines Vaters, dann verließ er die Stube. In der Küche war es bitterkalt, trotz des Feuers im Herd, und er saß schlotternd am Tisch, während er sein Frühstück aß. Dann packte er sich so warm ein, wie es nur ging, und mit der Schaufel bewaffnet, die stets griffbereit unter dem Vordach stand, wagte er sich zur Tür hinaus.
    Seine Stiefel sanken in dem lockeren Pulverschnee ein – ein schlechtes Zeichen. Wenn sich erst einmal eine Eiskruste an der Oberfläche gebildet hätte, würde man leichter vorankommen, aber fürs Erste blieb ihm nichts anderes übrig, als mühsam durch den Schnee zu stapfen und sich den Weg zum Stall und den Brennereigebäuden freizuschaufeln. Jenseits der Wiese, die direkt an das Anwesen angrenzte, erhob sich der Gipfel des Carn More, nach dem die Brennerei benannt war. Seine zerklüftete Granitwand erschien durch den weißen Überzug aus Eis und Schnee geglättet.
    Während er zum Berg hinüberblickte, ging die Sonne auf und tauchte die Flanken der Ladder Hills in einen rosigen Schimmer, der ihn an das feinste Satinkleid seiner Mutter erinnerte. Die Luft schien geradezu aufgeladen mit Stille, als ob die Welt mit angehaltenem Atem darauf wartete, dass etwas passierte.
    Will verharrte einen Moment lang reglos und lauschte, dann packte er die Schaufel und stieß sie in den Schnee.
    Er brauchte fast eine Stunde, bis er sich zum Stall vorgearbeitet hatte. Während er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte und die Schultermuskeln lockerte, beäugte er die Schneewehen, die bis fast unter das Dach reichten. Drinnen konnte er die Tiere unruhig im Stroh rascheln hören, und ein Anflug von Verzweiflung schnürte ihm die Brust zusammen, als er an die gewaltige Aufgabe dachte, die vor ihm lag.
    Es war nicht das erste Mal, dass Carnmore völlig eingeschneit war, aber bisher hatten sein Vater und er sich die Arbeit immer teilen können. Er verscheuchte den Gedanken an seine kleine Schwester Charlotte, der sich ihm unvermittelt aufgedrängt hatte. Ein Fieber hatte sie hinweggerafft, als sie noch kein Jahr alt gewesen war. Aber sein Vater war älter und

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