Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
»Sie sind doch nach Aviemore gefahren. Was ist denn nun mit Hazel – haben Sie mit ihr sprechen können?«
»Ross hält sie immer noch fest, und ich konnte leider nicht zu ihr. Sie sollte einen Anwalt haben. Kennen Sie jemanden, den Sie anrufen könnten?«
»Vielleicht Giles Glover, unseren Justiziar. Aber ich habe bereits dort angerufen. Er ist übers Wochenende verreist und kommt nicht vor morgen früh zurück. Was Hazel betrifft – ich hoffe doch… Ross wird sie doch nicht wegen einer Bemerkung mitgenommen haben, die ich gemacht habe?« Heather band ihr Haar zu einem lockeren Knoten.
»Was haben Sie ihm denn gesagt?«, fragte Gemma. Sie musste sich Mühe geben, um weiter ruhig und freundlich zu klingen.
»Nur, dass Donald und Hazel eine Beziehung hatten, allerdings vor vielen Jahren. Ich habe nicht gesagt – man hätte doch eher denken sollen, dass er diese Alison mitnehmen würde. Ich meine, sie hat ihn schließlich gestern Abend angekeift wie ein Fischweib –«
»Sie heißt Alison? Ich hatte schon den Eindruck, dass Sie sie kennen«, fügte Gemma mit einer gewissen Befriedigung hinzu.
»Alison Grant.« Heather verzog angewidert das Gesicht. »Sie lebt in Aviemore, arbeitet dort im Souvenirladen. Es war nichts Ernstes zwischen ihr und Donald, jedenfalls nicht von seiner Seite.«
»Sie denken also, dass irgendjemand ihr verraten hat, dass Donald für dieses Wochenende andere…äh… amouröse Pläne hatte?«
»Jemand muss es ihr erzählt haben, aber ich habe keine Ahnung, wer es war.« Mit einem Anflug von ihrer früheren Kratzbürstigkeit setzte sie hinzu: »Ich war’s jedenfalls nicht.«
»Nein, nein, das habe ich auch nicht geglaubt. – Wo ist denn Pascal?«, fragte Gemma in der Hoffnung, die aufgekommene Spannung zu beseitigen. »Ich dachte, er wollte bei Ihnen mitfahren?«
»Ist er auch. Er ist im Destillationsraum mit Peter McNulty, dem Brennmeister. Peter ist heute Nachmittag schon mit schwerer Schlagseite hier aufgekreuzt, und jetzt ist er gerade damit beschäftigt, einer Flasche achtzehn Jahre alten Benvulins den Garaus zu machen. Es schien mir das Mindeste, was ich ihm anbieten konnte«, sagte Heather verbittert. »Er war Donald treu ergeben. Alle hier waren Donald treu ergeben.«
»Sie eingeschlossen.«
Heathers Augen füllten sich mit Tränen, die sie sogleich wütend abwischte. »Ja. Mich eingeschlossen. Mein Gott, was für ein elendes Chaos!«
»Was wird jetzt aus der Brennerei werden? Bleiben Sie in der Firma?«
»Das hängt davon ab, wie Donald über seine Anteile verfügt hat. Und vom Aufsichtsrat. Ich habe die Herrschaften schon telefonisch informiert.«
»Und das Haus?«
»Das gehört der Brennerei, nicht Donald selbst. Donalds Vater hatte in den Achtzigerjahren eine Hypothek darauf aufgenommen, als die Brennerei in Liquiditätsschwierigkeiten war. Donalds Mutter hat keinerlei Ansprüche. Sie hat kurz nach der Scheidung von Bruce Brodie wieder geheiratet und lebt jetzt in Kalifornien. Ich habe sie auch schon angerufen.«
»Was war Donalds Vater für ein Mensch?«, wollte Gemma wissen.
»Bruce Brodie war… schwierig. Er hat Donald schikaniert, auch wenn man sich das nur schwer vorstellen kann.« Ein Lächeln huschte über Heathers Gesicht. »Nach seinem Unfalltod – ich war damals noch nicht lange in der Firma – hatte ich fast den Eindruck, dass Donald… erleichtert war.«
Gemma richtete sich interessiert auf. »Er ist durch einen Unfall ums Leben gekommen?«
»Hat Hazel Ihnen das nie erzählt? Es war ein Bergunfall, auf dem Cairngorm. Ist jetzt fast zehn Jahre her. Donalds Schwester Lizzie ist damals auch umgekommen.«
»Das ist ja entsetzlich!«, rief Gemma. »Wie ist es passiert?«
»Ein ungewöhnlich früher Schneesturm. Die Bergrettung hat ihre Leichen erst nach vier Tagen gefunden. Die Wettervorhersage war ein bisschen vage gewesen, aber Bruce hat sie gleich ganz ignoriert. Er war schon immer leichtsinnig gewesen. Und Lizzie… Lizzie wäre ihrem Vater bis ans Ende der Welt gefolgt. Man könnte wohl sagen, dass sie auch genau das getan hat.«
»Das tut mir ja so Leid«, sagte Gemma. Sie wünschte, sie hätte besseren Trost zu bieten gehabt. »Es muss doch sehr schlimm für Sie gewesen sein, zumal, wenn Sie und Donald sich so nahe standen.«
»Wollen Sie wissen, ob wir miteinander ins Bett gegangen sind?«, entgegnete Heather, nun wieder mit ungeminderter Feindseligkeit. »Wenigstens haben Sie es etwas taktvoller formuliert als Chief Inspector Ross.
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