Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
selbst unter Verdacht steht? Lass deinen Zorn nicht an mir aus«, fügte er hinzu. Er klang genauso erschöpft und entmutigt, wie sie sich fühlte. »Ich sage dir schließlich nur, was du ohnehin schon weißt. Und wenn du Glück hast und dein Chief Inspector seine Hausaufgaben macht, dann kommt er dir vielleicht sogar zuvor.« Kincaid hielt einen Moment inne. »Gemma, was Tim betrifft… kann sein, dass Hazel über meine Einmischung nicht sehr erfreut sein wird, aber nachdem ich heute Abend bei ihm war, habe ich Tims Eltern angerufen und sie gebeten, noch mal hinzufahren. Tims Mutter scheint mir eine ganz vernünftige Frau zu sein. Sie sagte, sie würden Holly zu sich mitnehmen.«
»Du hast Tims Mutter gesagt –«
»Ich habe ihr so wenig wie möglich gesagt. Dass es eine stressige Situation sei und dass ich dächte, Holly wäre vielleicht vorläufig bei ihren Großeltern besser aufgehoben. Sagst du bitte Hazel Bescheid? Und ich ruf dich dann morgen aus dem Zug an.«
»Warte noch.« Ihr Zorn war verflogen, und sie fühlte sich nur noch erschlagen und ausgebrannt. »Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anschnauzen. Ich – ich hatte einfach einen beschissenen Tag.«
»Ich weiß.« Seine Stimme war sanft. »Ruh dich ein bisschen aus, Schatz.«
»Sag den Jungs, dass sie mir fehlen.«
Seine Antwort kam mit kaum merklicher Verzögerung. »Klar… Du fehlst ihnen auch.«
Nachdem er aufgelegt hatte, blieb sie noch einen Moment lang reglos sitzen und fragte sich, ob sie sich sein Zögern nur eingebildet hatte. Ein neuer Stachel der Unruhe senkte sich in ihr Herz. Gab es vielleicht zu Hause irgendein Problem, von dem er ihr nichts gesagt hatte?
An der Pension angelangt, fuhr Gemma am Haupthaus vorbei und stellte den Wagen in der Nähe der Scheune ab. Durch das vorhanglose Wohnzimmerfenster hatte sie verschwommen die Gesichter der anderen wahrgenommen, doch sie hatte beschlossen, sich zuerst ein wenig frisch zu machen, bevor sie Pascal die Autoschlüssel zurückgab. Und sie wollte sehen, welches Chaos die Spurensicherung in ihrem Zimmer hinterlassen hatte.
Sie haben das Licht brennen lassen, dachte sie verärgert, als sie die Tür aufmachte. Doch dann sah sie sich um und hielt erschrocken die Luft an. Hazel stand am Bett, vor sich den offenen Koffer, ein halb zusammengefaltetes Nachthemd an die Brust gedrückt.
»Hazel! Du bist wieder da! Ich habe mir solche Sorgen gemacht –«
»Er musste mich gehen lassen. Ein Zeuge hat mich heute Morgen im Bahnhof gesehen, und zwar genau zu der Zeit, als laut deiner Aussage der Schuss fiel.«
Ein Gefühl tiefer Erleichterung durchflutete Gemma. »Gott sei Dank.« Dann fiel ihr ein, was sie Hazel sagen musste, und ihr wurde schwer ums Herz. »Hazel –«
»Ich fahre nach Hause. Es geht noch ein Nachtzug.« Hazel legte das Nachthemd sorgfältig in den Koffer. »Chief Inspector Ross meinte, es spricht nichts dagegen.«
Gemma zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Hazel, ich muss dir etwas sagen«, begann sie zögerlich. Sie wusste, dass jeder Versuch, es ihr schonend beizubringen, zum Scheitern verurteilt war. »Duncan war heute Abend bei Tim. Tim weiß Bescheid über dich und Donald.«
»O Gott.« Hazel sank auf das Bett nieder, als ob ihre Knie plötzlich den Dienst versagt hätten. »Aber wie –«
»Das hat er nicht gesagt. Es tut mir Leid.«
Hazels Blick ging ins Leere; ihre Miene verriet tiefste Niedergeschlagenheit. »Ich hatte es ihm sagen wollen, aber auf meine Weise, und erst dann, wenn ich selbst so weit wäre. Aber jetzt… wie kann ich ihm jetzt noch unter die Augen treten?«
Gemma war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Hazel nach Hause fahren wollte, wo ein wütender und enttäuschter Ehemann sie erwartete. Aber in London war sie wohl allemal sicherer als hier, wo Donald ermordet worden war. »Am besten gar nicht«, riet sie ihrer Freundin. »Fahr zurück nach London, aber geh Tim lieber erst mal aus dem Weg. Hol Holly von Tims Eltern ab und geh mit ihr zu uns. Und wenn sich Tim ein bisschen beruhigt hat, kannst du dich an einem neutralen Ort mit ihm treffen.«
»Das ist ein guter Rat.« In Hazels Lächeln lag bittere Ironie. »Den hätte ich mir früher vielleicht selbst gegeben. Und was ist mit dir?«
Gemma hatte ihre Pläne noch nicht neu überdacht. Jetzt, da Hazel nicht mehr verdächtigt wurde und nach London abreisen konnte, hinderte Gemma nichts mehr daran, es ihr gleichzutun. Sie konnte Duncan noch heute Abend anrufen und ihm sagen, dass
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