Obsession
das Gefühl, in ein schwarzes Loch
zu fallen. Eigentlich hatte er auch darüber nicht nachdenken wollen.
Anscheinend kam an diesem Tag alles hoch.
«Ich kann nicht lange bleiben», sagte Keith und schälte sich aus seinem Mantel. «Ich habe in einer Stunde, äh, eine Verabredung.»
«Mit Jo?»
«Äh, ja. Willst du was trinken?»
«Ich habe schon. Aber ich hole dir was.» Ben drehte sich |291| zur Theke um und gab Keith die Gelegenheit, seine Verlegenheit in den Griff zu kriegen. Obwohl die Affäre offenbar munter
weiterging, war es ihm immer noch peinlich, darüber zu sprechen.
«Also, was genau hat Quilley gesagt?», fragte Keith, nahm die Zitronenscheibe aus dem Tonic, um das er gebeten hatte, und
knabberte daran. Er hatte Ben erzählt, dass es ein Appetitzügler sei. Die Untreue hatte ihn immerhin dazu gebracht, weniger
zu trinken und abzunehmen. Da die Zigarren auch schnell wieder verschwunden waren, fragte sich Ben, ob Tessa den plötzlichen
Wandel tatsächlich so arglos hinnahm, wie Keith offenbar glaubte.
Er fasste das Gespräch mit dem Detektiv zusammen. Keith nippte an seinem Tonic, während er aufmerksam zuhörte, ganz der Anwalt.
«Gut, du hast zwei Möglichkeiten», sagte er, nachdem Ben fertig war. «Entweder du sagst ihm, er soll zum Teufel gehen, oder
du zahlst und hoffst, dass er wirklich etwas Nützliches weiß. Wenn du das tust, musst du entscheiden, wie viel dir die Sache
wert ist und wie du sicherstellst, dass Quilley dich nicht nur ausnimmt.»
«Du meinst also, ich sollte es wagen?»
«Kannst du es einfach ignorieren?»
Ben schüttelte zögernd den Kopf.
«Dann hast du ja deine Antwort. Aber verlange, dass er dir einen Anhaltspunkt gibt, was er verkauft, bevor du zahlst, sonst
nimmt er nur das Geld und erzählt dir, dass Cole Cornflakes zum Frühstück isst. Wenn er wirklich etwas weiß und wenn er tatsächlich
dringend Geld nötig hat, wird er dir schon einen Hinweis geben. Wenn nicht, hat er wahrscheinlich nur versucht, dich zu schröpfen.»
«In dem Fall bringe ich den Kerl um.»
Keith ließ die Zitronenschale in einen Aschenbecher fallen. |292| «Das würde bestimmt helfen, Jacob zurückzukriegen, oder?»
Die Wut flaute genauso schnell wieder ab, wie sie gekommen war. Nach der Leere der letzten zwei Wochen war der plötzliche
Gefühlsansturm wie eine Völlerei nach einer Fastenzeit. «Trotzdem gibt es keine Garantie, dass seine Informationen mir irgendwie
helfen», sagte er mutlos.
«Nein, aber es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.»
Ben starrte in sein Glas, hatte aber keine Eingebung.
«Wenn du dich dafür entscheidest, die Sache zu riskieren, solltest du jedenfalls nicht den Eindruck erwecken, zu neugierig
zu sein. Dann wird er nur den Preis hochtreiben.»
«Er hat mir geraten, nicht zu lange zu warten.»
«Er wird dir kaum sagen, dass keine Eile besteht, oder? Ich würde das Arschloch ein oder zwei Tage schmoren lassen. Bleib
cool.» Keith schaute auf seine Uhr. «Tut mir leid, aber ich muss los.»
«Wo triffst du dich mit ihr?»
Keith versuchte seine Verlegenheit zu kaschieren, indem er sein Glas auf den Zigarettenautomaten stellte und in seinen Mantel
schlüpfte. «Irgendein Restaurant in Soho. Aber kein libanesisches», sagte er gequält.
«Was hast du Tessa gesagt?»
Ben bereute die Frage sofort. Für einen Augenblick machte Keith ein erschrockenes Gesicht. «Sie denkt, ich muss länger arbeiten.
Was für ein Klischee, oder?» Er lächelte matt. «Lass mich wissen, wie es gelaufen ist.»
Ben versprach es ihm. Als Keith den Pub verließ, schaute er ihm hinterher. Der teure Mantel war noch feucht auf den Schultern,
Keiths Schädel war mittlerweile fast kahl. Ben hoffte, dass er seinem Freund nicht die Laune verdorben |293| hatte. Dann dachte er an Tessa, die zu Hause mit zwei Kindern saß, und hatte auch mit ihr Mitleid. Er wünschte um Keiths willen,
dass die andere es wert war. Sie begann ihm auch schon leidzutun, doch da bremste er sich.
Hör auf, dachte er, um nicht auch noch in Selbstmitleid abzugleiten. Wie kann ich mir anmaßen, Mitleid mit anderen zu haben?
Er trank sein Bier aus. Da es draußen weiterhin schneite und er nichts Besseres zu tun hatte, bestellte er sich ein neues.
Er befolgte Keiths Rat einen ganzen Tag lang, dann hielt er es nicht mehr aus und rief Quilley an. Die wiedererwachte Hoffnung
hatte ihn unruhig gemacht, und als er die mechanische Stimme des Anrufbeantworters hörte, wäre
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