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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Auszieher für Kugel- und Schrotpatronen, sah mir die Umschaltschieber und Abzüge an und untersuchte die Signalstifte, die anzeigen, ob das Schloss gespannt ist. Außerdem gab es eine Unmenge von Detailinformationen, mit denen ich nicht das Geringste anfangen konnte. Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich damit, das Gewehr zusammenzusetzen und wieder auseinanderzunehmen. Ich klappte es auf und wieder zu, lud beide Läufe durch, schaute mir die Patronen genau an und machte mich mit dem beträchtlichen Gewicht vertraut. Für einen Menschen, der zeit seines Lebens nicht das geringste Interesse an Waffen gehabt hatte, stellte ich mich gar nicht mal so dumm an. Schließlich entlud ich das Gewehr, zerlegte es wieder und packte es zurück in den Waffenkoffer. Den wiederum verstaute ich in dem länglichen Alukoffer mit dem großen Panasonic-Schriftzug. Das Päckchen aus München steckte ich zusammen mit dem Klebeband in die Innentasche meiner Lederjacke, und dann war ich reisefertig.
    Anschließend schob ich eine von meinen neu gekauften CDs ein und ging noch einmal ins Internet. Von den Websites von Greenpeace und anderer Umweltschutzorganisationen lud ich innerhalb einer Stunde wahllos alles herunter, was ich über Tankerhavarien und Verschmutzung der Meere bekommen konnte. Nun hatte ich eine CD, die ich zumindest vorzeigen konnte. Wahrscheinlich brauchte einer ihrer Spezialisten keine Minute, um festzustellen, dass es sich nicht um das Material handelte, was sie haben wollten, aber vielleicht war das genau die Minute, die ich brauchen würde.
    Als Nächstes rief ich aus einer Telefonzelle die Auskunft an, ließ mich mit Hertz verbinden und fragte für den nächsten Morgen um neun Uhr nach einem unauffälligen Mittelklassewagen. Nach einigem Hin und Her bekam ich den Zuschlag für einen Opel Astra. Ich rechnete nicht wirklich damit, dass Geldorf Helens Festnetzanschluss oder mein Handy abhören lassen konnte, aber ich musste um jeden Preis vermeiden, dass er mir in die Quere kam. Wenn er mich aufhielt, war Anna tot.
    Zum Schluss bestellte ich telefonisch für 8.50 Uhr am nächsten Morgen ein Taxi in die hinter dem kleinen Café gelegene Straße, und dann blieb mir nur noch eins zu tun, aber das musste warten bis nach dem Essen. Es war kurz vor halb sechs, und ich hatte das Gefühl, noch niemals so hungrig gewesen zu sein. Ich entschied mich für das chinesische Restaurant, aus dem Anna schon einmal etwas zu essen geholt hatte, trottete im Regen die Straße hinunter und bestellte das »Great Eastern Menu«: Wan-Tan-Suppe, Frühlingsrolle, Salat, gegrillte Garnelen mit Reis und in Honig gebackene Bananen zum Abschluss. Das Ganze spülte ich mit reichlich grünem Tee und Reisschnaps hinunter, und als ich um acht Uhr wieder in Helens Wohnung war, war ich bereit für den letzten Akt.
    Ich holte die Haarschneidemaschine heraus und rasierte mir vor Helens Badezimmerspiegel die Haare auf einen Millimeter herunter. Anschließend setzte ich die Sonnenbrille auf und betrachtete mein Spiegelbild. Großer Gott, sagte Helens Stimme leise, war das nötig,? Ich grinste. Jung sah ich aus. Jung, hässlich und sehr verändert. Zumindest auf den ersten Blick. Der musste genügen.
    Danach legte ich mich auf Helens Couch und wartete, dass die Nacht vorbeiging.
     

Dreißig
    P
    ünktlich um Viertel nach acht am nächsten Morgen verließ ich die Wohnung. Ich hatte kaum geschlafen, aber ich war seltsam ruhig und gefasst. Wenn man keine Wahl hat, gibt es kaum einen Grund für irgendwelche Zweifel. Ich trug die Baseballkappe und hatte über meine Lederjacke einen hellen Regenmantel gezogen. Die große Plastiktragetasche und die Sonnenbrille steckten in den Innentaschen meiner Jacke ebenso wie die CD, das Klebeband und das Päckchen aus München. Der Alukoffer, der eigentlich für den Transport einer professionellen Kameraausrüstung gedacht war und auch nach nichts anderem aussah, lag angenehm schwer in der Hand. Etwa zwanzig Meter vom Eingang des Cafés entfernt parkte ein blauer Skoda Octavia, in dem zwei junge Männer auffällig unauffällig Zeitung lasen.
    Kurz nach halb neun betrat ich das Café. Außer mir war bereits ein junges Pärchen da, das aber intensiv mit sich selbst beschäftigt war. Ich suchte mir einen Platz in der Nähe der Theke, ließ den Regenmantel an und bestellte mir das große Frühstück von gestern. Die Kellnerin brachte Kaffee, Brötchen, Eier und Orangensaft und zwinkerte mir nervös zu.
    »Gleich geht meine

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