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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hatten, um es zu verheimlichen.
    Wieder sah Rachmika auf das Blatt nieder und fragte sich zum
ersten Mal, warum Pietr es ihr gegeben hatte und was sie damit
anfangen sollte.

 
Ararat

2675
     
     
    Der Fahrstuhl fuhr etliche Minuten lang nach unten, dann
spürte Antoinette, wie er mit einem Ruck die Richtung wechselte.
Sie dachte schon an einen Absturz und schrie auf, doch dann ging die
Fahrt etwa zehn Sekunden lang glatt weiter, bevor die Kabine mit
einer neuen Serie von Erschütterungen und Schwankungen abermals
einen neuen Weg einschlug. Antoinette hatte keine Ahnung, wo sie war,
sie wusste nur, dass sie sich tief im Innern des Schiffes befand.
Vielleicht sogar unter der Wasseroberfläche, innerhalb der
letzten hundert Meter des versunkenen Rumpfes. Hätte sie Karten
mitgebracht – was sie natürlich nicht getan hatte –,
sie wären inzwischen völlig nutzlos gewesen. Nicht genug
damit, dass diese unangenehm feuchten Decks von oben her schwer
zugänglich waren, sie neigten auch noch zu krampfartigen
Veränderungen ihrer Architektur, die ungemein verwirrend waren.
Lange Zeit hatte man angenommen, wenigstens die Fahrstuhlrouten
blieben dabei erhalten, aber Antoinette wusste, dass dem nicht so war
und dass es vergeblich wäre, sich an vermeintlich bekannten
Bezugspunkten orientieren zu wollen. Hätte sie einen
Trägheitskompass und ein Gravitometer gehabt, so hätte sie
ihre Position im dreidimensionalen Raum auf ein paar Dutzend Meter
genau feststellen können… aber nachdem sie auch darauf
verzichtet hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als dem
Captain zu vertrauen.
    Der Fahrstuhl hatte sein Ziel erreicht. Die Tür ging auf, die
letzten Reste der breiigen Flüssigkeit spritzten hinaus.
Antoinette trat sich die Schuhe ab. Die Säume ihrer Hose klebten
ihr unangenehm nass an den Waden. Sie war für ein Treffen mit
dem Captain wirklich nicht passend angezogen. Was sollte er von ihr
denken?
    Als sie hinausschaute, stockte ihr fast der Atem vor
Entzücken. Sosehr ihr auch die Zeit im Nacken saß, der
Anblick griff ihr ans Herz. Sie war davon ausgegangen, dass sie in
einer düsteren, feuchten Höhle landen und dass sich der
Captain über die Manipulation von Schrottteilen manifestieren,
aus einer der verformbaren Wandflächen treten oder ihr auf
irgendeine ähnliche Art und Weise erscheinen würde.
    Mit dieser Umgebung hatte sie jedenfalls nicht gerechnet. Der
riesige Raum erschien auf den ersten Blick ganz und gar grenzenlos.
Über ihr spannte sich ein weiter Himmel in sattem Wappenblau.
Terrassenförmig angeordnete Baumreihen erstreckten sich nach
allen Seiten, bis sie in der blaugrünen Unendlichkeit
verschwanden. Es wehte eine köstlich duftende Brise, und aus den
Ästen des nächsten Baums war Vogelgezwitscher zu
hören. Unter sich sah sie eine reizende kleine Lichtung, die
über eine rustikale Holztreppe zu erreichen war. An einer Seite
stürzte ein rauschender Wasserfall in einen Teich. Wo das Wasser
nicht weiß aufschäumte, war es tiefschwarz wie das
Weltall. Doch es wirkte dadurch nicht etwa schmutzig, sondern
herrlich kühl und einladend. Ein Stück vom Ufer entfernt
stand ein Holztisch auf dem makellos gepflegten Rasen. Zu beiden
Seiten davon lagen Holzstämme, die als Bänke dienten.
    Antoinette war unwillkürlich aus dem Fahrstuhl getreten.
Hinter ihr schloss sich die Tür. Nun blieb ihr nichts anderes
übrig, als über die Treppe zur Lichtung hinabzusteigen. Das
Gras leuchtete ihr in allen erdenklichen Grün- und
Gelbtönen entgegen.
    Sie hatte von diesem Ort schon gehört. Clavain hatte einmal
von einer Lichtung im Innern der Sehnsucht nach Unendlichkeit erzählt. Früher war sie in den Karten verzeichnet
gewesen, doch seit das große Schiff nach der Landung auf Ararat
geleert worden war, blieb sie verschollen. Verschiedene Suchtrupps
hatten die Bereiche durchkämmt, wo man sie vermutete, aber sie
waren nicht fündig geworden.
    Die Lichtung war riesig. Unglaublich, dass etwas von dieser
Größe einfach verloren gehen sollte, aber die Sehnsucht
nach Unendlichkeit hatte gewaltige Ausmaße. Und wenn das
Schiff selbst nicht wollte, dass etwas gefunden wurde… nun, dann
hatte der Captain natürlich die Mittel, es unauffindbar zu
machen. Er konnte Korridore und Fahrstuhlrouten verlegen. Der ganze
Raum mitsamt der Lichtung hätte im Schiffsinnern herumwandern
können wie eine jener alten Gewehrkugeln, die angeblich noch
Jahre später langsam und auf gewundenen Pfaden durch den
Körper eines

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