Ohne Abkommen (Die Ratte des Warlords III) (German Edition)
als sie protestieren wollte. Die Kellnerin wünschte einen schönen Tag und ging. Spoon sah Kepler undefinierbar an und löste sich mit einem Ruck von der Wand.
Sie gingen schweigend die Promenade entlang. Spoon sah immer wieder zum Ozean . Am Strand und im Wasser tollten Kinder und Jugendliche, die Erwachsenen ließen es etwas zwar ruhiger angehen, aber sie alle wirkten losgelöst und frei. Ein Pärchen knutschte hemmungslos im Sand, ein paar Meter weiter versuchten sich drei junge Männer gegen sieben Frauen im Beach-Volleyball zu behaupten. Die verloren jeden Angriff, lachten unentwegt und genossen es, die Männer zu wagemutigen Stürzen anzuspornen. Die wälzten sich possierlich im Sand und hatten dabei riesige Freude am stichelnden Beifall ihrer Gegnerinnen.
Spoon ging schneller. Nach einigen Metern zog sie das Jackett aus, trotz des relativ späten Nachmittags schien die Sonne sehr kräftig. Spoon hängte das Jackett über den linken Arm und öffnete die Manschettenknöpfe an den Ärmeln ihrer Bluse. Kepler nahm das Jackett, damit es Spoon nicht störte. Sie nickte kurz, krempelte die Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch und öffnete danach die beiden oberen Knöpfe ihrer Bluse. Unwillkürlich sah Kepler hin. Oberhalb der weichen Rundung der linken Brust leuchtete auf Spoons dunkler Haut hässlich-weiß die Narbe einer Schussverletzung. Als Kepler in den Aufschlag des Hemdes gesehen hatte, schien Spoon erst etwas sagen zu wollen, schwieg jetzt aber.
Nach einigen hundert Metern wurden ihre Schritte schleppender und sie bli nzelte öfter und eulenhaft. Fast völlig teilnahmslos ging sie weiter. Die Müdigkeit überkam sie immer mehr.
"Hast du ein Auto hier oder soll ich dich nach Hause fahren?", fragte Kepler.
"Hast du jetzt genug?", fragte Spoon matt zurück.
"Nein", antwortete Kepler. "Aber du musst schlafen."
"Unter anderem", murmelte Spoon und ging nach links zur Straße.
"Machst du Sport?", fragte Kepler.
" Nein", antwortete Spoon abgehackt.
"Du solltest Sport treiben, Ana."
Spoon bedachte ihn mit einem fassungslosen, fast verletzten Blick.
" So kaputt wie du bist, brauchst du einen Ausgleich zu deiner Arbeit", sagte Kepler. "Mach Sport, Ana, du würdest dich einfach besser fühlen."
"Und besser aussehen?", erkundigte Spoon sich im deutlich scharfen Ton.
"Wohin den n noch?", erwiderte Kepler ehrlich.
Spoon sah ihn nich t mehr wie einen Verbrecher an und lächelte kurz.
Ihr alter Mitsubishi Lancer stand auf demselben Parkplatz, auf dem Kepler geparkt hatte. Spoon zögerte einzusteigen, nachdem sie den Wagen aufgeschlossen hatte. Mit der Hand am Türgriff sah sie Kepler an und wollte etwas sagen, aber dann brachte sie wieder kein Wort heraus. Stattdessen verharrte sie und sah mit leerem Blick in die Sonne, die sich schon rötlich färbte.
Ein en Augenblick später zuckte Spoon unwillkürlich zusammen, und Kepler hörte wie sie erstickt aufstöhnte. Oder es war ein Schluchzer.
" Abends kommt immer die Erinnerung", riet Kepler.
"Sie ist fast pausenlos da", widersprach Spoon bitter mit leiser Stimme.
Sie fuhr zusammen, als Kepler seine Hand auf ihre Schulter legte. Reflexartig versuchte Spoon seine Hand abzuschütteln, aber er drehte die junge Frau sanft, aber entschieden so, dass sie ihn anblicken musste.
"Die Wunde auf deiner Brust – zwei Zentimeter weiter links, und du wärst tot, Ana", sagte er. "Freu dich, dass du lebst und hör auf, dich kaputt zu machen."
" Ich wäre lieber tot", flüsterte Spoon, "denn es ist kein richtiges Leben mehr, nur eine leere, sinnlose Hülle um irgendwas herum. Ich habe keine Freunde und keinen Kontakt zu meiner Familie, ich habe alle vergrault."
"Die, die dort nicht gewesen waren, werden es nie verstehen , also lass sie doch." Kepler sah ihr in die Augen. "Konzentriere dich darauf, das zu sein und zu tun, was du für richtig hältst. Finde einen Sinn für dein Leben."
"Den habe ich... meine Arbeit... das Gefühl, Menschen zu helfen", brachte Spoon heraus. "Ansonsten bin ich kaputt..."
"Bescheuert bist du ", unterbrach Kepler sie. "Ansonsten bist du eine starke, kluge, schöne und eine begehrenswerte Frau."
I n Spoons erstaunt aufgerissenen Augen stand plötzlich eine wilde Hoffnung.
"Meinst du das wirklich so? ", fragte sie.
"Ja, das tue ich", antwortete Kepler schroff. "Ich war auch dort, Ana", erinnerte er sie. "Dass wir es nicht geschafft haben, ist nicht nur unsere Schuld, wir haben nicht völlig versagt. Man hat uns einfach nicht gewinnen
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