Ohne dich kein Sommer - Roman
Mein Vater sagte immer, Taylor sei nicht zu besiegen. Recht hatte er. Aber egal, Taylor Jewel war nun mal ein Teil von meinem Leben, so wie ich von ihrem.
»Wir können schließlich nicht alle so sein wie du«, sagte ich, und das war gar nicht mal ausschließlich als Spitze gemeint.
»Aber wenigstens bemühen könntet ihr euch«, schlug sie mit einem kleinen Lächeln vor. »Hör zu, das mit Cory tut mir leid. Ich wollte nur, dass du wieder froh bist.«
»Ich weiß ja.«
Sie legte einen Arm um mich, und ich ließ es zu. »Das wird ein ganz toller Sommer, du wirst schon sehen.«
»Ein toller Sommer!«, echote ich. Toll musste er für mich gar nicht werden, mir würde es schon reichen, ihn einfach nur zu überstehen. Dass es irgendwie weiterging. Diesen Sommer musste ich schaffen, der nächste wäre dann sicher leichter. Bestimmt.
Also blieb ich noch ein bisschen. Saß mit Davis und Taylor auf der Veranda, sah zu, wie Cory mit einer aus dem Sophomore-Jahrgang flirtete, aß einen Hotdog. Dann fuhr ich nach Hause.
Dort wartete das Sandwich weiter auf dem Tresen, unausgepackt. Ich stellte es in den Kühlschrank und ging nach oben. Bei meiner Mutter brannte noch Licht, aber ich sagte ihr nicht mehr Gute Nacht. Stattdessen ging ich direkt in mein Zimmer und zog wieder mein weites Cousins-T-Shirt an. Dann dröselte ich meine Zöpfe auf, putzte mir die Zähne und wusch mir das Gesicht. Als ich im Bett lag, kamen die Gedanken wieder. So ist jetzt also das Leben , dachte ich. Ohne Susannah, ohne die Jungs.
Zwei Monate war es her. Den Juni hatte ich überlebt. Ich schaffe es, sagte ich mir. Ich kann mit Taylor und Davis ins Kino gehen, ich kann in Marcys Pool schwimmen, vielleicht kann ich sogar mit Cory Wheeler ausgehen. Es geht schon irgendwie, solange ich irgendwas mache. Wenn ich vergaß, wie schön es mal war, vielleicht würde es dann leichter werden.
Doch als ich endlich eingeschlafen war, träumte ich von Susannah und vom Sommerhaus, und selbst im Schlaf wusste ich ganz genau, wie schön es gewesen war. Wie richtig sich alles angefühlt hatte. Und ganz gleich, was du tust, wie sehr du dich bemühst, du kannst nicht verhindern, dass du träumst.
4
Jeremiah
Seinen Dad weinen zu sehen bringt einen schon ganz schön durcheinander. Vielleicht gilt das nicht für alle Leute. Es gibt Väter, die gehen ganz locker damit um, die können Gefühle zulassen. Mein Dad gehört nicht zu denen. Er weint normalerweise nie, und uns hat er auch nie dazu ermuntert. Aber im Krankenhaus, und später bei der Beerdigung, da hat er geweint wie ein kleines Kind, das sich verlaufen hat.
Meine Mom ist früh am Morgen gestorben. Es ging alles so schnell, ich brauchte einige Zeit, um zu begreifen, dass das alles wirklich und wahrhaftig geschah. So etwas ist dir nicht auf Anhieb klar. Später am Abend, dem ersten Abend ohne sie, waren Conrad und ich allein zu Hause. Es war seit Tagen das erste Mal überhaupt, dass wir allein waren.
Es war so still im Haus. Unser Dad war mit Laurel im Beerdigungsinstitut, unsere Verwandten übernachteten in einem Hotel, und so blieben nur wir beide übrig, Conrad und ich. Den ganzen Tag über hatte es ein ständiges Kommen und Gehen gegeben, und jetzt waren wir auf einmal allein.
Wir saßen am Küchentisch. Viele Leute hatten Essen vorbeigebracht – Obstkörbe, Platten mit belegten Broten, einen Hefezopf. Eine große Dose Butterkekse.
Ich riss ein Stück von dem Zopf ab und stopfte es mir in den Mund. Es war ziemlich trocken. Ich riss noch ein Stück ab und schob es hinterher. »Willst du auch was?«, fragte ich Conrad.
»Nee«, sagte er. Er trank Milch. Ich fragte mich, wie viele Tage sie wohl schon alt sein mochte. Ich konnte mich nicht erinnern, wann zuletzt einer von uns im Laden gewesen war.
»Was passiert morgen?«, fragte ich. »Kommen alle her?«
Conrad zuckte mit den Schultern. »Vermutlich«, sagte er. Er hatte einen Milchbart.
Das war alles, mehr sprachen wir nicht. Conrad ging nach oben in sein Zimmer, und ich räumte die Küche auf. Dann ging ich ebenfalls hoch, ich war müde. Ich dachte daran, zu Conrad zu gehen, denn auch wenn wir nicht redeten, so fühlte es sich doch besser an, zusammen zu sein. Man war nicht ganz so einsam. Einen Moment lang stand ich im Flur, aber gerade als ich klopfen wollte, hörte ich ein ersticktes Schluchzen. Ich ging nicht zu ihm rein. Ich ließ ihn in Ruhe. Ich wusste, es war ihm lieber so. Ich ging in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Dann weinte ich
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