Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
»Entschuldige. Ich meinte natürlich, zieh die Jacke aus. Und die Schuhe.« Er wirkte allge mein ziemlich nervös. Ich tat ihm den Gefallen und folgte ihm daraufhin ins Wohnzimmer. Christoph hatte den Tisch gedeckt und ungefähr eine Million Kerzen auf den Tisch gestellt. Er musste neues Geschirr gekauft haben, denn ich kannte es nicht. Weiß mit Goldrand. Christoph hatte sogar Stoffservietten in edle Serviettenringe gesteckt. In der Mitte des Tisches stand eine Flasche Mo ë t & Chandon in einem Eiskübel, daneben zwei von unseren Sektkelchen.
Trotz allem: Es rührte mich ein bisschen, wie sehr er sich bemühte. Offenbar schien ihm viel daran zu liegen, guten Eindruck bei mir zu machen.
»Gibt’s was zu feiern?«
Christoph nickte. »Das will ich doch hoffen.«
Ich sah ihn skeptisch an. Nun schien er mir eine Spur zu selbstsicher. Das ließ mich innerlich einen Schritt zurückgehen.
»Setz dich doch, Lyn.« Er kam beinahe auf mich zugerannt und zog den Stuhl heran, auf den ich mich setzen sollte. »Christoph, jetzt übertreib doch nicht so. In den letzten Jahren unserer Ehe hast du mich die Einkaufstüten schleppen lassen, während du auf deinem Handy telefoniert hast.«
Er hielt immer noch die Stuhllehne umklammert und wartete darauf, dass ich mich setzte. »Das war nur ein Mal und der Anruf war wichtig.«
»Es war zwei Mal und beide Male war es Clemens, der von seiner Skihütte anrief.«
»Jetzt setz dich doch«, drängte Christoph, immer noch freundlich, aber mittlerweile leicht ungeduldig.
Betont langsam ließ ich mich auf den Stuhl sinken. Christoph nahm mir gegenüber Platz und sah mich lange an. »Also gut, Christoph. Frage eins: Was soll ich hier? Frage zwei: Wozu dieses ganze Brimborium?«
»Lyn …« Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Ich war ein egoistisches und ignorantes Arschloch. Ich war deiner gar nicht würdig.«
»Christoph, ich hätte es nicht besser ausdrücken können.«
»Und deshalb bitte ich dich heute ganz offiziell um Verzeihung. Es tut mir leid.« Er faltete die Hände über der Tischplatte und sah mich erwartungsvoll an.«
Vor noch gar nicht langer Zeit gab es nichts, was ich mir mehr gewünscht hätte als diese Worte. Aber seit meinem Auszug hatte ich mich verändert, und Christoph schien auf den ersten Blick wie früher, ganz früher.
Ich ließ ihn zappeln. »Was gibt es denn zu essen?«
Er hob die Augenbrauen und sah mich zerstreut an. »Äh, was? Es gibt Lammrippchen. Mit Rosmarin. Herzoginkartoffeln und gemischtem Salat«, stammelte er vor sich hin.
»Das habe ich schon lange nicht mehr gegessen.«
Er lächelte unsicher. Um seine Mundwinkel zuckte es leicht. »Was sagst du dazu, Lyn?«
»Na ja.« Ich hob die Handflächen nach oben und zuckte die Schultern. »Lamm war noch nie so mein Ding, aber ich glaube, der Champagner gleicht das Ganze wieder aus. Gibt es denn keinen Nachtisch?«
Er sah mir direkt ins Gesicht. »Du machst dich über mich lustig, nicht wahr?« Er strich sich mit der Hand kurz übers Gesicht. »Ich kann es dir nicht verübeln. Lyn, ich kann dir nur versichern, dass es mir unendlich leid tut.«
Ein bisschen nervös war ich auch, aber es gelang mir, es zu kaschieren. Lässig drehte ich die Serviette in dem Ring und sagte: »Es gibt etwas, das ich nicht verstehe. Wenn du sagst, es tut dir leid – was meinst du damit? Was genau tut dir denn leid, Christoph?«
»Dass ich nicht gewusst habe, was ich an dir habe und dass ich dich so leichtfertig betrogen habe.« Er nickte, um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen.
Ich hielt mit dem Serviettendrehen inne und fixierte ihn mit meinem Blick. »Und was genau hast du an mir? Was ist es, das dich zu mir zurückführt?«
»Alles.«
» Alles ist mir zu wenig. Du musst mich schon überzeugen, Christoph.«
»Unsere gemeinsamen Erinnerungen …«
»Die habe ich mit Markus auch. Oder mit meinen Eltern. Oder mit Antje.«
Christoph schüttelte den Kopf. »Das ist doch etwas ganz anderes. Wir haben uns doch immer gut verstanden, Lyn. Wir passen so gut zusammen.«
Darüber dachte ich eine Weile nach. »Es ist nicht meine Absicht, dir wehzutun, Christoph, aber ehrlich gesagt, denke ich das überhaupt nicht mehr.«
Er sah mich fassungslos an. »Doch, natürlich.«
Ich schüttelte den Kopf. »Auf eine gewisse Weise hab ich dich noch sehr gern. Menschlich, meine ich. Das wird sich auch nicht ändern. Wir haben viele Jahre zusammen verbracht, und du bist kein schlechter Mensch. Damals warst du der Richtige
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