Oksa Pollock. Die Unverhoffte
Kräfte. Hätte Gus sie nicht gestützt, sie wäre auf dem Bürgersteig zusammengebrochen. Pierre war bereits herbeigesprungen, fing sie auf und legte sie auf die Rückbank des Autos.
»Leg dich hin, Oksa, es ist geschafft, du bist in Sicherheit!«
Gus kletterte auf den Beifahrersitz und Pierre trat aufs Gaspedal und raste los.
»Da! Das ist Monsieur Bontempi!«
»Wir können ihn nicht mehr warnen, Gus, wir müssen hier schnellstens weg und uns um Oksa kümmern.«
Inzwischen biss Oksa auf der Rückbank des Wagens die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Es tat so fürchterlich weh! Schmerz und Schrecken breiteten sich unerbittlich wie Gift in ihr aus. Sie wagte einen Blick auf ihr Knie und stöhnte: Ihre Haut warf Blasen und hatte eine hässliche grünlich braune Farbe angenommen, die das Schlimmste befürchten ließ. Und der Geruch war kein bisschen weniger entsetzlich – ein ekelhafter Gestank nach verwesendem Fleisch und Blut und dazu der beißende Geruch der Chemikalien in ihren Kleidern. Das Ringelpupo verdoppelte seine Anstrengungen und pulsierte ohne Unterlass, um seine von Panik überwältigte Herrin zu beruhigen.
»Halte durch, Oksa, wir sind gleich da.«
Mit dem Mädchen auf den Armen rannte Pierre die Stufen zur Haustür der Pollocks hinauf. Gus stand bereits oben und trommelte, kreidebleich im Gesicht, an die Tür.
»Um Himmels willen!«, schrie Dragomira entsetzt auf, als sie ihre Enkelin in diesem Zustand erblickte. »Mein Gott, Kinder, was ist passiert?«
»Dragomira, hol schnell die Pelli-Reiniger, ich glaube, Oksa hat ein Putrefactio abbekommen!«, rief Pierre.
Während Dragomira in ihre Wohnung hinaufrannte, eilte er mit Oksa ins untere Wohnzimmer und legte sie mit Pavels Hilfe auf eines der Sofas.
»Das ist alles meine Schuld«, stammelte Pavel vollkommen aufgelöst. »Das werde ich mir nie verzeihen …«
»Hör auf, Pavel«, schnitt ihm Pierre das Wort ab.
»Bitte, Pavel, das ist jetzt nicht der richtige Augenblick«, mahnte auch Dragomira, die soeben mit einem kleinen Fläschchen in der Hand ins Zimmer stürzte. An Oksa gewandt sagte sie: »Ich werde jetzt das hier auf dein Knie geben.«
Baba Pollocks Hände zitterten, als sie das Fläschchen aufschraubte. Mit den Fingerspitzen verteilte sie eine gut haselnussgroße Menge der orangefarbenen Paste auf Oksas Knie und massierte sie vorsichtig ein.
»Das brennt, Baba!«, schluchzte Oksa und krümmte sich vor Schmerzen.
Ihre Mutter, die im Rollstuhl herbeigekommen war, nahm ihre Hand und drückte sie.
»Gus, bleibst du bitte bei Oksa?«, bat Dragomira den Jungen, nachdem sie das verletzte Knie vollständig mit der zähflüssigen Substanz bedeckt hatte, die leicht zu brodeln schien. »Wir sind gleich wieder da.«
Die drei Pollocks und Pierre Bellanger zogen sich in die Diele zurück, doch obwohl sie sich mit gedämpfter Stimme unterhielten, konnte Oksa dank ihrer Gabe des Flüsterlauschs genau verstehen, was sie sagten.
»Marie, ich muss zugeben, das ist das erste Mal seit dem Großen Chaos in Edefia, dass wir es mit einem Putrefactio zu tun haben«, murmelte Dragomira. »Wir mussten noch nie einen solchen Fall behandeln. Die Pelli-Reiniger zeigen eine hervorragende Wirkung bei offenen Wunden, Infektionen und sogar Wundbrand. Im Da-Draußen wird diese Art von Therapie inzwischen mit Maden versucht, vielleicht hast du schon davon gehört. Aber ob es bei einem Putrefactio anschlägt, kann ich nicht sagen. Wir haben keine Erfahrungen damit, und ich weiß nicht, ob die Pelli-Reiniger Oksa heilen können.«
»Ich verstehe«, erwiderte Marie mit zitternder Stimme. »Und ich weiß, dass du alles tust, was du kannst.«
Alle hatten sich erneut um Oksa versammelt und beobachteten gebannt, wie sich ihre Kniewunde verhielt.
»Du hast mir Würmer aufgeschmiert, Baba«, murmelte Oksa schwach, aber mit einem Hauch von Vorwurf in der Stimme. »Wozu sollen diese Viecher denn noch alles gut sein?«
»Das sind keine Wurmiculums, meine Duschka, das sind Pelli-Reiniger. Sie vollbringen wahre Wunder bei solchen Wunden«, versuchte Dragomira sie zu beruhigen. »Die Pelli-Reiniger fressen sich durch die kranke Haut und stellen sie wieder her. Bald wird dein Knie wieder wie neu sein.«
Oksa verzog angeekelt das Gesicht und blickte auf ihr Knie hinunter, wo inzwischen Hunderte winziger Würmer genüsslich auf der eitrigen Haut herumkrochen.
»Glaubst du, du schaffst es, uns zu erzählen, was passiert ist?«
Die Frage kam von Pavel, der mit
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