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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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vergewissert hatte, dass das Bild fest hing, drehte er sich um und musterte jeden seiner Schüler nacheinander mit seinem finsteren Blick, als wäre er auf der Suche nach einem Schwerverbrecher. Dieser Mann schien alle ständig eines Vergehens zu verdächtigen, ohne dass man wusste, warum. Nach der frostigen Inspektion kehrte er ihnen wieder den Rücken zu und schrieb die Anweisungen für den heutigen Tag an die Tafel. Plötzlich wurde das angespannte Schweigen durch das Geräusch eines herunterfallenden Stifts unterbrochen.
    McGraw hielt inne. Ohne sich auch nur umzudrehen, stieß er böse hervor: »Zelda Beck! Brauchst du Hilfe, um am frühen Morgen deinen Füller festzuhalten, oder schaffst du es allein?«
    »Es tut mir leid, Mr McGraw«, stotterte Zelda und bückte sich, um ihren Stift aufzuheben.
    Einige Schüler warfen sich erstaunte Blicke zu, andere senkten betreten den Kopf. Oksa lächelte Zelda aufmunternd zu. Die warf ihre langen dunklen Haare nach hinten und schaute mit ihren großen braunen Augen verzweifelt zurück.
    »Nehmt eure Hefte«, befahl der Lehrer, »und schreibt die Aufgabe ab.«
    Er stand immer noch an der Tafel und schrieb weiter. Zwei Minuten später unterbrach er sich erneut. Er drehte sich um und fixierte Zelda, der vor lauter Nervosität die Tasche von der Stuhllehne gerutscht war.
    »Da du meinen Unterricht unentwegt störst, Zelda, greife ich nun ebenfalls in deinen Zeitplan ein. Zwei Stunden nachsitzen!«
    »Aber Mr McGraw, das habe ich doch nicht mit Absicht gemacht«, sagte Zelda mit Tränen in den Augen.
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mich von deinem Gejammer erweichen lasse. Da beißt du bei mir auf Granit.«
    »Ein wahres Wort …«, murmelte Oksa.
    McGraw wandte sich ihr zu.
    »Oksa Pollock! Möchtest du uns etwas sagen?«
    Oksa war überrascht. Sie zögerte, doch dann holte sie tief Luft und sagte mutig: »Ich finde zwei Stunden nachsitzen wegen einer hinuntergefallenen Tasche ein bisschen streng.«
    Ein unbehagliches Schweigen trat ein, das der Lehrer genüsslich auskostete, bevor er zu seiner Antwort ansetzte.
    »So heldenhaft dein Beitrag auch ist, Oksa, du kannst ihn dir sparen«, entgegnete er scharf. »Zwei Stunden Nachsitzen sind berechtigt, und es ist nicht deine Aufgabe, das infrage zu stellen. Und nun weiter mit dem Stoff, die Unterbrechung hat lange genug gedauert.«
    Er drehte sich um und schrieb weiter, seine Erregung mühsam im Zaum haltend.
    Der spinnt ja total, dachte Oksa. Was der sich einbildet!
    McGraws schroffe Art machte sie wütend. Und eigentlich standen ihr ja durchaus Mittel zur Verfügung, ihn zu provozieren … Sie könnte ihm zum Beispiel die Tafel auf den Kopf fallen lassen oder die Blätter des Buchs auf seinem Pult aufwirbeln. Einmal gefasst, ließ der Gedanke sie nun natürlich nicht mehr los.
    Und plötzlich passierte es: McGraw sprang wie von Zauberhand der Stift aus der Hand, flog gegen die Zimmerdecke und fiel herunter. Zufall oder Absicht? McGraw erstarrte. Alle hielten gebannt den Atem an. Oksa rutschte triumphierend auf ihrem Stuhl hin und her, sodass die vier Metallfüße auf dem gebohnerten Parkett quietschten. Gus warf ihr einen warnenden Blick zu, doch zu spät.
    Der Lehrer brüllte in ohrenbetäubender Lautstärke los: »OKSA POLLOCK!«
    Oksa rutschte das Herz in die Hose. McGraw kehrte ihnen immer noch den Rücken zu, doch keiner brauchte sein Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass er außer sich war vor Wut.
    »Oksa Pollock!«, wiederholte er mit donnernder Stimme. »Verlass auf der Stelle den Raum!«
    Oksas Lächeln wich einem Ausdruck von Panik. Ihre Mitschüler sahen sie verständnislos an. Keiner begriff, warum McGraw seine Wut an ihr ausließ. Oksa versuchte, sich ihre zunehmende Verwirrung nicht anmerken zu lassen, und ging aus dem Klassenzimmer, ohne den schrecklichen Lehrer auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Sie war wütend, aber auch geschockt, weil sie hinausgeworfen worden war. Eine Weile irrte sie durch die Gänge, an den Klassenzimmern vorbei. McGraw hatte sie rausgeworfen, aber sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Und alles nur wegen eines quietschenden Stuhls …
    Der spinnt doch, dachte sie empört. Sie fand, dass er eindeutig zu weit ging.
    Nägelkauend stromerte sie weiter durch die Flure. Als sie an den Toiletten vorbeikam, wäre sie beinahe mit jemandem zusammengestoßen, der gerade zur Tür herauskam. OH SCHRECK! Der Neuntklässler, der sie letztens angerempelt hatte!
    »He, Rotznase! Was hast

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