Oksa Pollock. Die Unverhoffte
stirnrunzelnd.
»Die Huldvolle Malorane hat den Absoluten Wegweiser jemandem im Vertrauen gegeben.«
Die Rette-sich-wer-kann starrten einander fassungslos an.
»Soll das heißen … jemand weiß, wo Edefia sich befindet?«, flüsterte Dragomira und schlug sich die Hand vor den Mund.
»Meine Sicherheit in dieser Überzeugung war mit der Hoffnung belegt, aber auch zwiespältig. Doch mein Plemplem hat mir das Geschenk der Bestätigung gemacht.«
Aller Augen richteten sich auf den Plemplem, der gerade auf dem Bügelbrett getoastete Sandwichs zubereitete. Als er merkte, dass nun die geballte Aufmerksamkeit auf ihm ruhte, setzte er das Bügeleisen ab, und sein pausbäckiges Gesicht nahm eine eigenartige dunkelviolette Farbe an.
»Lieber Plemplem, kommst du bitte mal zu mir?«, forderte Dragomira ihn auf. »Ich stelle dir jetzt eine sehr wichtige Frage. Weißt du, wo Edefia sich befindet?«
Die Stimme der Baba Pollock war ganz rau und zitterte. Eine eindrucksvolle Stille breitete sich über den Raum, nur unterbrochen von den beschleunigten Atemzügen der Anwesenden.
»Edefia ist entlang der Welt, und das Wissen um den Absoluten Wegweiser ist mit Präzision in meinem Gehirn verankert, ja, verehrte Alte Huldvolle«, antwortete der Plemplem schlicht.
»Du lieber Himmel! Und du hast mir das nie erzählt?«, rief Dragomira aus.
»Das Versprechen musste der Huldvollen Malorane gegeben werden, dass allein die Notwendigkeit die Preisgabe des Wegweisers freisetzen würde.«
»Und was ist das für eine Notwendigkeit?«, fragte Oksa atemlos und mit tiefroten Wangen.
Der Plemplem wandte sich ihr zu und neigte respektvoll den Kopf. »Die Notwendigkeit bezeichnet den Moment, wo das Schicksal zum Treffen dieses Entschlusses führt. Den Wegweiser zu geben, wenn der Augenblick nicht richtig ist, würde die Rette-sich-wer-kann in den Irrtum und in das Scheitern führen. Und Ihr müsst die Akzeptanz dieser Antwort ganz in Euch aufnehmen: Den Wegweiser heute zu erfahren, ist nutzlos.«
»Und wie wissen wir, wann der richtige Moment gekommen ist?«, wollte Oksa wissen.
»Die Alterslosen werden die Zeichen geben, die unsere Junge Huldvolle erleuchten. Sie sind bereits mit Euch in Verbindung getreten, so ist die Wahrheit.«
»Ja, das stimmt«, gab Oksa zu. »Und das Medaillon? Weißt du etwas darüber?«
»Die Überzeugung der Alten Huldvollen ist gebadet in der Wahrheit. Der Plemplem verfügt über das Geheimnis der Eröffnung des Medaillons: Wenn der Augenblick den richtigen Umständen begegnet, wird die Inschrift ihre Worte enthüllen.«
»Verstehe … Aber woher weißt du das alles, Plemplem?«, fragte Oksa erregt.
»Der Plemplem hat die Kenntnis aller Geheimnisse, die in der Tiefe des Herzens der Huldvollen ruhen«, erklärte der Plemplem. »Aller Geheimnisse.«
Der fünfte Stamm
N
ach dieser ungeheuerlichen Enthüllung war das Staunen der Rette-sich-wer-kann nicht mehr zu überbieten. Alle waren ganz außer sich und redeten gleichzeitig. Was für eine unglaubliche Neuigkeit! Und welch eine Erleichterung! Der Plemplem von Dragomira wusste, wo Edefia zu finden war! Kein Rette-sich-wer-kann hätte sich je träumen lassen, dass der Absolute Wegweiser, der ihnen erlauben würde, ihre verlorene Welt wiederzufinden, sicher und gut gehütet im Kopf dieses komischen und liebenswerten kleinen Geschöpfs aufbewahrt war. Und natürlich war damit die Möglichkeit einer Rückkehr nach Edefia greifbarer denn je.
Oksa hielt es buchstäblich kaum noch auf ihrem Sitz. »Aber ich bin bereit!«, rief sie leidenschaftlich, an ihre Großmutter und Abakum gewandt. »Ich habe inzwischen so viel gelernt.«
»Ja, ganz ohne Zweifel«, erwiderte ihre Großmutter ruhig. »Und wir verstehen auch deine Ungeduld. Aber sieh uns doch an! Einige von uns sind alte Leute.«
»Alte Leute, die es locker mit einem Boxweltmeister aufnehmen könnten«, warf Gus ein.
»Alte Leute, die fliegen können«, fuhr Oksa im selben Ton fort, »die Menschen meterweit wegschleudern können, die höllische Substanzen zubereiten können … Alte Leute, die, wenn sie wollten, die ganze Welt unterwerfen könnten!«
»Mag sein«, gab Dragomira zu, »aber diese alten Leute sind alles andere als Krieger, und sie sind weder körperlich noch geistig darauf vorbereitet, es mit einem Feind aufzunehmen, wer es auch sein mag. Und vor allem wissen diese Alten nicht, was sie erwartet. Ich kann es nur noch einmal sagen: Solch ein Unterfangen darf man nicht auf die leichte Schulter
Weitere Kostenlose Bücher