Oliver - Peace of Mind
ich.
„Mittwochs, da fahre ich immer in Daves Wohnung und mache sauber.
Manchmal kaufe ich noch was für ihn ein. Er kommt ja nicht dazu. Er arbeitet ja
immer. Einmal bin ich kurz eingenickt auf seinem Sofa. Da war er ganz sauer,
als er nach Hause kam und ich noch da war. Er will halt allein sein nach der
Arbeit. Versteh‘ ich ja auch.“
„Oliver war da ganz anders. Der war immer gern mit mir zusammen.“ Sie
schweigt und denkt wohl an vergangene Zeiten. „Aber mit Freundinnen, da klappte
es bei beiden nicht so. Olli hatte nur dich und dann Tina. So, als richtige Freundinnen,
meine ich. Sonst sind sie ihm ja immer hinterher gelaufen. Manchmal, wenn ich
so mit ihm unterwegs war, da haben die uns hinterher geguckt. Die dachten wohl,
wir wären ein Paar. Das fand ich lustig.“
Betty lacht und ich spüre Wut und Ekel.
„Ich finde das kein bisschen komisch“, entwischt es mir etwas lauter als
gedacht. Sie sieht mich verständnislos an. „Mein Vater, der fand es auch immer
toll, wenn die Verkäuferinnen im Einkaufszentrum dachten, ich wäre seine junge
Geliebte. Für den, der jünger ist, ist das allerdings weniger schmeichelhaft.
Außerdem sollten Eltern Eltern bleiben.“
Betty geht nicht darauf ein. „So war das gar nicht“, ist alles, was sie
sagt.
Nach einer Weile: „Naja und Dave, der hatte ja schon früher nur seinen
Fußball im Kopf. Eine Freundin hatte er nur einmal. Und da hatte er gleich den
Liebeskasper und wollte ständig mit mir reden.“
Betty verdreht die Augen.
Ich weiß nicht, was ein Liebeskasper ist. Ich hoffe nur, es ist nichts Schlimmes.
„Ja, da kommen sie beide nach mir“, sinniert Betty weiter. Ich hab‘ seit
Olivers Vater keinen mehr in meine Wohnung gelassen. Ich bin lieber allein.“
„Erzählst Du mir von Olli, nachdem Du ihn das letzte Mal gesehen hast?“,
bitte ich sie leise. Sie nickt, nimmt noch einen Schluck Limonade und beginnt:
6. Januar 2009
Betty war wütend! Sie hatte diese fiese Erkältung. Sie hatte die halbe
Nacht wach gelegen, war irgendwann auf dem Sofa eingeschlafen. Sie hatte sich
kurz abgeduscht, ein bisschen von dem Obst gegessen, das Oliver ihr am Vortag
mitgebracht hatte und ein paar Zigaretten geraucht. Sie hatte die Zeitschrift,
die er ihr mitgebracht hatte, fertig gelesen und ein paar Stunden ferngesehen. Zwischendurch
war sie wieder eingeschlafen und nun war es bereits wieder Abend.
Und nun war sie wütend. Auf Oliver, weil er ihr keinen Abschiedskuss
gegeben hatte und weil er sich nicht meldete. Sie war krank und trotzdem musste
sie sich wieder um ihn sorgen, weil er sich nicht meldete und sie nicht wusste,
wo er war und was er schon wieder angestellt hatte.
Sie griff nach ihrem Handy und wählte seine Nummer. Nichts! Nur die
Mailbox sprang an. Sie wurde noch wütender. „Der sieht doch genau, dass ich
angerufen habe. Und er weiß doch, dass es mir schlecht geht. Warum kann er dann
nicht einfach mal rangehen? Oder zurück rufen? Aufgeladen hatte sie sein Handy
doch gerade.“ Sie rauchte noch eine Zigarette, dann versuchte sie es wieder.
Jede Stunde.
Um zehn Uhr abends rief sie Dave an. „Wir müssen zu Oliver fahren“,
verkündete Betty ihm ohne Umschweife. „Etwas stimmt nicht. Er hat seit gestern
nicht angerufen.“ Dave war müde und genervt. „Immer nur Olli! Ständig dreht
sich die Welt nur um Olli! Ich habe zwölf Stunden gearbeitet: Platten gesetzt,
Schnee geräumt. Ich fahre jetzt nirgendwo hin. Ich gehe jetzt schlafen. Er ist
erwachsen, Mutti. Er hat sich nur einen Tag nicht gemeldet. Das ist doch kein
Grund zur Panik.“
„Doch!“, sagte Betty. „Ich fühle, dass etwas nicht stimmt. Wir müssen zu
ihm in die Wohnung.“
„Also schön,“ seufzte Dave. „Ich rufe dich morgen gegen neun Uhr an.
Wenn er sich bis dahin nicht gemeldet hat, hole ich dich ab und wir fahren hin,
ok?“
7. Januar 2009
Oliver meldete sich auch in den folgenden Stunden nicht. Unzählige Male
hatte Betty noch seine Stimme auf der Mailbox gehört. Abgenommen hatte er
nicht.
Um 9.15 Uhr rief Dave bei ihr an. Nach einem kurzen Austausch machte er
sich auf den Weg zu ihr.
Um 10 Uhr stieg Betty in Daves Pick Up ein. Zehn Minuten später parkte
Dave vor dem ausgebauten Bunker.
Betty rannte los. Dave folgte ihr. Die Eingangstüren waren nur angelehnt.
Dave sprintete die Stufen zur Wohnung hinauf. Betty, nicht mehr die Jüngste und
angeschlagen von ihrer Erkältung, hinterher.
Dave klingelte
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