Operation Beirut
besonders unberechenbaren Ball zuspielten.
Es passierte auf einer Konferenz des Nationalen Sicherheitsrates, in Anwesenheit des britischen Premierministers, der in jener Woche in Washington zu Besuch weilte. Das Ganze fand im «Krisenraum», einer engen, fensterlosen Krypta im Keller des Westflügels des Weißen Hauses, statt. Der Raum war mit einem langen Teakholz-Konferenztisch ausgestattet, den eine Putzfrau mit höchstem Unbedenklichkeitszeugnis jeden Morgen auf Hochglanz polierte; ein Dutzend gutgepolsterte Chefsessel hätte die führenden Köpfe der Nation bei der Planung des Dritten Weltkriegs nicht auf Komfort verzichten lassen müssen; Kommunikationseinrichtungen sowie diverse audiovisuelle Gerätschaften versetzten einen in die Lage, auf der Stelle Informationen aus jedem Teil der Welt zu erhalten; entlang der Wände standen Stühle für jene Mitarbeiter, denen es zwar erlaubt war, bei derartigen Konferenzen zugegen zu sein – sie erledigten auch den Löwenanteil der Arbeit –, die jedoch nicht das Privileg genossen, mit am großen Tisch zu sitzen.
Der britische Premier war ein gewichtiger Mann, dem die besten Weine aus Burgund und Bordeaux im Laufe der Jahre Gesicht und Figur zerstört hatten. Als das Wort an ihn fiel, hielt er eine kurze Ansprache über das Besondere an einem besonderen Verhältnis, in der es ihm gelang, in weniger als fünf Minuten nicht weniger als dreimal Winston Churchill zu zitieren.
Zur Überraschung des Direktors begann der britische Staatschef sodann eine Diskussion der Krise, die sich eben drohend in Jordanien abzuzeichnen begann – diesem ansonsten kaum beachteten haschemitischen Königreich, dessen befreundeter, prowestlicher Monarch von palästinensischen Guerillas bedroht wurde.
«Wir sind der Ansicht, dass sich in Jordanien eine
äußerst
prekäre Lage entwickelt hat», sagte der Premier.
Die Amerikaner unter den Anwesenden sahen einander fragend an.
«Der König von Jordanien hat uns um Rat gebeten, und zwar in
äußerst
dringlichem Wortlaut. Und wir sind ganz offen gestanden ratlos, was wir ihm sagen sollen.»
Der Präsident machte an dieser Stelle eine Kopfbewegung in Richtung des Direktors, so als wollte er sagen: Würden Sie mir bitte erklären, worum zum Teufel es hier eigentlich geht?
Der Direktor ergriff das Wort.
«Der König macht sich ständig über irgendetwas Sorgen», sagte er. «Ich halte ihm nun schon seit fast einem Jahrzehnt das Händchen, und es macht mir nichts aus, Ihnen zu sagen, dass er ein Jammerlappen ist.»
«Ein was?», fragte der Präsident, der von einem Mitarbeiter abgelenkt worden war, der ihm etwas ins Ohr geflüstert hatte.
«Ein Jammerlappen, und ich werde Ihnen ein Beispiel geben, um es Ihnen zu beweisen», sagte der Direktor. Leuten, die autorisiert waren, sie zu hören, erzählte er für sein Leben gern Geheimnisse.
«Wir arbeiten seit zwei Jahren daran, den König mit den Israelis an einen Tisch zu bringen. Es ging hin und her, ja und nein. Sie können sich das ja vorstellen. Schließlich gelang es uns, zwischen dem König und dem israelischen Premier ein Treffen auf einem Schnellboot im Golf von Aqaba zu arrangieren. Nur die beiden. Wir stellten das Boot, und ich brauche ja nicht erst darauf hinzuweisen, dass wir alles mithörten. Wissen Sie, worüber der König fast die ganze Zeit sprach? Dass die Araber ihm an den Kragen gehen würden, wenn er je einen Friedensvertrag unterzeichnen würde. Der Mann ist ein Jammerlappen, wie ich Ihnen schon sagte.»
Der Präsident räusperte sich. Es war dies ein Zeichen, dass er ungeduldig wurde. «Entschuldigen Sie», sagte er. «Aber die Frage ist doch: Hat der König von den Palästinensern etwas zu befürchten oder nicht?»
«Nach unserer Einschätzung der Lage hat er das nicht», antwortete der Direktor. Er fasste in einigen wenigen Sätzen die aktuelle nachrichtendienstliche Einschätzung der Lage zusammen. Das Wesentliche seiner Rede war, dass es sich bei den palästinensischen Guerillas um einen Haufen Gesindel handelte, eine kaum organisierte Gruppe, die von der jordanischen Armee ordentlich Prügel beziehen würde, sollte es je zu einem Bürgerkrieg kommen.
Der britische Premier mischte sich erneut ein.
«Wir teilten diese Meinung – bis vor kurzem, als wir eine Reihe höchst interessanter Dokumente in die Hände bekamen.»
Der Staatsmann überreichte dem Präsidenten Kopien dieser Dokumente. Einer seiner Mitarbeiter überreichte gleichzeitig dem Direktor einen
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