Opfermal
spendiert hatte, es wohl nicht mehr lange machte, würde sie lieber zu Fuß zur Uni gehen, als ihn von sich aus anzurufen.
Cindys Vater, ein Automechaniker, hatte schließlich die Frau geheiratet, mit der er Cindys Mutter betrogen hatte und ein Haus im benachbarten Winterville gekauft. Nicht weit genug weg, dachte Cindy – aber nicht mal Kalifornien wäre weit genug weg. Die Scheidung hatte stattgefunden, als Cindy in der Junior Highschool gewesen war, als ihre Mutter eines Tages weinend von der Arbeit zurückkam und anfing, die Sachen ihres Vaters auf den Rasen vor dem Haus zu werfen. Dann kam ihr Vater nach Hause und klebte ihrer Mutter ein paar, weil sie ihn vor den Nachbarn so blamierte. Es spielte keine Rolle, dass er schuldig war, sagte er; eine gute Ehefrau verriet ihren Mann nicht auf diese Weise, egal, was er getan hatte.
Cindy sah alles mit an, und die nachfolgende Scheidung traf sie so hart, als hätte ihr Vater ihr ebenfalls ein paar geklebt. Aber wie in allen Dingen lernte Cindy schnell, das große Ganze zu sehen. Das war eine ihrer »Gaben«, wie ihre Mutter immer sagte: ihre Reife, ihre Fähigkeit, sich über alles zu erheben. Cindy merkte ihrer Mutter an, dass sie ohne den Hurensohn glücklicher war, und sie musste zugeben, dass es ihr ebenfalls besser ging, wenn er nicht in der Nähe war, und so beschloss sie, dass es am besten war, wenn sie möglichst wenig mit ihrem Vater zu tun hatte.
Abgesehen davon hatte er sich ohnehin nie sehr für sie interessiert.
Cindy schaltete ihren Computer an – eine alte eMachine, die ewig brauchte, bis sie hochfuhr und merkwürdige Klickgeräusche dabei machte –, und als sie schließlich im Internet war, überprüfte sie aus Gewohnheit zuerst ihre Facebook-Seite. Es war das übliche Zeug: eine Nachricht von ihrer besten Freundin – die unglücklicherweise auf der State University war – und ein paar betrunkene Einträge à la Na, wie läuft’s, du egozentrisches Luder? von Freunden, die gerade vom Feiern aus der Stadt zurückgekommen waren. Aber erst nachdem Cindy ihre Facebook-Seite minimiert hatte und die Google-Suchergebnisse sah, konnte sie sich den wahren Grund eingestehen, warum sie aus dem Bett gestiegen war.
Sie hatte den Namen Edmund Lambert gegoogelt – nur ein paar Tausend Treffer, hauptsächlich Links zu allgemeinen Ahnenforschungsseiten. Nichts, was Cindy direkt mit dem hübschen Exsoldaten verbinden konnte, der in der Kulissenwerkstatt für sich blieb.
Ja, alle Mädchen im Fachbereich Theater standen irgendwie auf Lambert. Aber gleichzeitig waren sie eingeschüchtert von ihm und fanden es merkwürdig, dass er ihr Lächeln nicht erwiderte, wenn sie mit den Augenlidern klimperten und ihre perlweißen Zähne blitzen ließen. Und tatsächlich hatte nur Amy Pratt, diese Nutte, ihn richtig angemacht – hatte ohne Umschweife angeboten, ihm in der Beleuchterkabine einen zu blasen, woraufhin Lambert erwidert hatte: »Nein, danke, Amy.« Amy hatte es den Mädchen im vorherigen Semester in der Umkleide erzählt; sie sagte, Lambert sei nicht einmal errötet oder zusammengezuckt, sondern habe ihr nur direkt in die Augen geschaut, bis sie weggegangen sei.
»Der Typ ist unheimlich«, sagte sie. »Sieht dich starr und ausdruckslos an, als würde er durch dich hindurchschauen. Total Hitchcock-mäßig, wenn ihr mich fragt.«
Lambert hatte Cindy auf die gleiche Weise angesehen. Aber im Gegensatz zu Amy Pratt gefiel es ihr eigentlich; sie mochte die Art, wie er ihrem Blick so lange standhielt, bis sie zu spüren glaubte, wie seine stahlblauen Augen zur Rückseite ihrer Netzhäute vordrangen. O ja, was das Aussehen anging, war Edmund Lambert mehr als traumhaft – hochgewachsen und muskulös, mit dunkelbraunem Haar und ebenmäßigen weißen Zähnen. Aber mehr noch mochte ihn Cindy, weil sie ihm ansah, dass er ein Denker war, dass er Tiefe besaß – der aufrichtigste, ernsthafteste Typ im ganzen Fachbereich. Würde einer Tussi wie Amy Pratt nicht einmal die Uhrzeit sagen.
Cindy maximierte ihre Facebook-Seite und startete dort ebenfalls eine Suche – ergebnislos, es gab nicht einen einzigen Edmund Lambert.
» Njet «, sagte sie in dem russischen Akzent zu sich selbst, den sie für ihren Dialektkurs übte. »Sie scheinen nicht der Fess-Buk-Tip zu sein, Miieester Lem-behrt.«
Sie startete eine Suche nach sich selbst auf Facebook – fünfhundert Treffer.
»Mehr als finfhundert von mir gägen einen von Ihnen«, sagte sie in ihrer besten
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