Opferschrei
ängstlich war.
Beunruhigt, ja …
»Und wie lautet Ihre Antwort, David?« Sie fühlte, wie es ihr kalt den Rücken hinunterlief, als sie die Frage stellte. Sie wusste, dass er mit ihr spielte, dass er sie führte. Wohin? »Was würde so jemand tun?«
»Er würde sich für sein Geständnis jemanden suchen, der nicht zur Polizei gehört.«
»Was hätte er davon?«
»Dann würde das Brummen aufhören, der Druck wäre verschwunden, er wäre entlastet – frei, um weiter zu töten, wieder und wieder und wieder.«
Mein Gott, das klingt logisch. Auf furchtbare Weise zwar, aber durchaus logisch.
»Jeder, der sein Geständnis hören würde, müsste die Polizei einschalten«, sagte Dr. Maxwell. »Selbst ein Priester. Selbst ein Psychotherapeut. Natürlich sprechen wir rein hypothetisch«, fügte sie hoffnungsvoll hinzu. Auf irgendeiner Ebene, unter den vielen Schichten ihres eigenen Selbst, wusste sie, dass sie die Kontrolle über das, was hier vor sich ging, verloren hatte.
Seine Augen waren jetzt geöffnet und er schaute sie direkt an. Mit seiner rechten Hand griff er in sein offenes Sakko und holte ein Messer mit einer langen Klinge hervor. Das Messer war offenbar vor Kurzem abgewischt worden, es waren aber immer noch Flecken darauf, die nach Blut aussahen. Dr. Maxwells Gedanken schossen zu ihrer Sprechstundenhilfe, die draußen am Empfang saß.
Hannah! Wenn ich sie nur irgendwie aufmerksam machen könnte!
Wenn er sie nicht …
»Nur einer von uns spricht hypothetisch, Doktor.« Seine Stimme war ruhig und hatte sich irgendwie verändert. Das war der wahre David Blank, wie auch immer sein wahrer Name, sein ursprünglicher Name , lautete, und er jagte ihr Angst ein.
»Hannah?«
»Sie ist im Schrank, wo man sie nicht sehen kann, falls jemand in die Praxis kommt. Die Telefonleitung ist gekappt, aber das macht nichts. Sie wird bestimmt keine neuen Termine mehr vereinbaren.«
Dr. Maxwell hörte sich schlucken. Es hörte sich an, wie wenn ein winziger Knochen unter der Haut brechen würde. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Aber sie hätte eh nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen.
David Blank setzte sich auf und drehte seinen Körper so, dass er ihr direkt gegenübersaß. Er hob das Messer hoch, damit sie seine lange, glänzende Klinge sehen konnte.
»Wir haben noch zwanzig Minuten, Doktor.«
Sie schluckte wieder.
Er lächelte. »All die Wochen werden sich endlich auszahlen. Jetzt haben Sie, was Sie wollten. Heute haben wir wirklich einen Durchbruch geschafft. Ich möchte, dass Sie mein Geständnis hören.«
Dr. Maxwell wusste, dass dieses Mal nichts davon gelogen sein würde.
Ihr unersättlicher Wissensdurst, die große Neugier, die ihr geholfen hatte, ein Stipendium an einer der anspruchsvollsten, renommiertesten Universitäten an der Ostküste zu ergattern, eine beinahe tödliche Meningitis zu überleben, das Medizinstudium und ein mörderisches Praktikum zu überstehen, und sie schließlich hierher gebracht hatte, in eine vornehme Praxis auf der Park Avenue, schaffte es irgendwie, sich einen Weg durch ihr Entsetzen zu bahnen.
»Warum fangen wir nicht mit Ihrem richtigen Namen an?«
Ich sterbe vor Neugier.
50
»Die Rolle ist gut, und die Gage ist auch okay«, sagte Jubal über den Rand seines Weinglases hinweg zu Claire. Sie saßen im Café Caracole auf der West Fifty-Seventh.
Claire nahm einen Schluck von ihrem Wasser – kein Alkohol für sie, solange sie schwanger war – und nickte zustimmend. Jubals »so gut wie sichere« Rolle als Soldat in Winding Road war ohne Erklärung geplatzt, wie es so oft der Fall war in ihrem Metier. Von einer Sekunde auf die andere konnte sich das Blatt komplett wenden.
Deshalb war es zweifelsohne gut, wenn er die Rolle des hilfsbereiten, romantischen Nachbarn in As Thy Love Thyself an einem Theater in der Nähe von Chicago annahm. Es war nur so, dass Claire die Vorstellung, gerade jetzt allein zu sein, ganz und gar nicht behagte.
»Wer soll dann um Mitternacht seine Schuhe anziehen und losrennen, um mir meine Blaubeer-Muffins zu holen?«, fragte sie. Während der letzten Wochen hatte sie ein heftiges Verlangen nach den überdimensionalen, zellophanumhüllten Muffins aus dem Feinkostladen am Ende des Blocks entwickelt.
Jubal starrte sie an. Dann erkannte er, dass es ein Witz sein sollte, und lachte. Dabei verschüttete er etwas von seinem Wein. Er schüttelte den Kopf und tupfte den Wein mit einer Serviette auf, aber sie wusste, dass die Krawatte wahrscheinlich
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