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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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plötzlich aus dem Dunkel aufgetaucht, lässig, aber zügig zum Haus gegangen, und hatte das Gebäude betreten, als hätte er es schon tausend Mal gemacht, als würde er dort hingehören. Cops schaffen es, sich nach vielen Jahren im Job so zu bewegen, als ob sie dort hingehören, wo immer sie gerade sind. Pearl wusste, dass sie diesen Punkt noch nicht erreicht hatte, und fragte sich, ob sie lange genug im Dienst bleiben würde, um sich diese natürliche Unsichtbarkeit anzueignen.
    Sie benutzte ihr Funkgerät, um Quinn zu kontaktieren.
    Er war sofort hellwach und warnte die anderen: »Jemand ist im Gebäude. Könnte unser Kerl sein.«
    Wer sonst, um Viertel vor drei am Morgen?
    »Ich sehe ihn«, meldete Fedderman leise von seinem Beobachtungsposten in der Abstellkammer. »Er durchquert die Lobby.«
    Er sah, wie der Mann den Aufwärts-Knopf am Aufzug drückte. Er wirkte ganz entspannt. Zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand rollte er abwesend etwas hin und her, während er auf den Aufzug wartete.
    Der Aufzug musste auf einem der unteren Stockwerke gewesen sein, denn es dauerte nicht lange, bis er da war.
    Fedderman wartete geduldig, bis sich die Tür hinter dem Mann geschlossen hatte, bevor er noch mehr Geräusche machte.
    Etwas lauter sagte er in sein Funkgerät: »Er ist gerade in den Aufzug gestiegen.«
    Quinn stellte sicher, dass alle wussten, was vor sich ging, bevor er aus dem Schutz des dunklen Vorraums trat und die Straße überquerte.
    Einen halben Block weiter stieg Pearl aus dem Wagen und ging schnellen Schritts auf ihn zu. Dieser Teil machte sie nervös. Der Night Prowler würde den Aufzug bald verlassen und möglicherweise einen Blick aus dem Fenster am Ende des Korridors auf die Straße werfen. Pearl gehörte definitiv nicht in die Nachbarschaft, eine einzelne Frau, die diagonal die Straße überquerte, um Zeit zu sparen.
    Versau’s jetzt bloß nicht.
    Quinn war schon im Gebäude verschwunden. Sie beschleunigte ihren Schritt.
    Auch Campbell wusste, was passieren konnte, und war bereit.
    Er ließ das Licht ausgeschaltet und ging im Dämmerlicht der Wohnung leise in Claires Schlafzimmer. Er wollte nicht, dass sie aufwachte und hysterisch wurde, bevor überhaupt etwas geschah. Aber auf gar keinen Fall wollte er, dass ihr etwas zustieß. Er würde verdammt nochmal dafür sorgen, dass ihr nichts zustieß!
    Aber er wollte, dass dieses Arschloch das Zimmer betrat und es offiziell machte, er wollte, dass er vor Gericht fertiggemacht wurde, so wie er ihn fertigmachen würde, wenn er ins Schlafzimmer kam.
    Er bezog in einer Ecke neben der Tür Position. Wenn dieser kranke Wichser hereinkam – falls er hereinkam – falls er überhaupt die Wohnung betrat – würde Campbell wie ein Racheengel Gottes über ihn herfallen.
    Als der Aufzug ein paar Stockwerke erklommen hatte, drückte Fedderman den Knopf, um den zweiten Aufzug, der sich weit oben im Gebäude befand, in die Lobby zu rufen.
    Es handelte sich um alte, ziemlich langsame Aufzüge, und der, in dem sich der mutmaßliche Night Prowler befand, war immer noch auf dem Weg nach oben, als Quinn und Pearl das Gebäude betraten. Quinn wirkte müde, aber in Gefechtsbereitschaft. Pearl sah so eifrig aus, dass sie Fedderman an einen Rauhaardackel erinnerte, den er vor langer Zeit einmal besessen hatte. Das sollte ich ihr besser nicht sagen.
    Quinn sah auf den leuchtenden Aufzugknopf, dann warf er einen Blick auf die Stockwerkanzeige. Die aufwärts fahrende Kabine war nur wenige Stockwerke von Claires entfernt.
    »Er hatte einen Schlüssel«, sagte Fedderman. »Er hat keine Sekunde gezögert, die innere Lobbytür aufzuschließen und hereinzukommen.«
    »Vielleicht einer der anderen Mieter«, meinte Pearl, auch wenn sie es selbst nicht glaubte.
    »In ein paar Sekunden werden wir es wissen«, antwortete Quinn.
    Die Stockwerkanzeige stoppte bei neunundzwanzig. Claires Stockwerk.
    »O Gott!«, sagte Pearl.
    Quinn warf einen Blick zur Eingangstür, die er offen gelassen hatte. »Die Streifenpolizisten sind auf dem Weg hierher.«
    »Genau wie der andere Aufzug«, meinte Fedderman und starrte auf die Stockwerkanzeige. »Aber der ist langsamer als eine verdammte Taucherglocke.«
    *
    In der stillen Dunkelheit des Schlafzimmers hörte Campbell nur Claires ruhigen Atem.
    Dann richtete er sich auf. Er hörte das Türschloss klacken, dann öffnete sich die Tür und die Kette wurde zurückgeschoben. Sein Mund war staubtrocken, und sein Herz wummerte in seiner Brust.

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