Opferschrei
öffnete er die Tür.
»Quinn«, sagte Renz schlicht und nickte ihm zu. »Ich hätte geklingelt, aber der Knopf war einfach zu oft überklebt.« Er betrachtete Quinn, der nur Strümpfe anhatte, dafür aber eine neue graue Hose und ein weißes T-Shirt trug und nicht mehr ganz so nach Verbrecher aussah wie bei Renz’ erstem Besuch. »Sie haben einen neuen Haarschnitt.«
»Gut beobachtet«, erwiderte Quinn.
Renz lächelte. »Und ein paar neue Klamotten gab’s auch. Ich bin froh, dass Sie das Geld, das ich Ihnen gegeben habe, weise eingesetzt haben. Lassen Sie mich in Ihr Rattenloch?«
»Natürlich. Sie passen wunderbar zur Einrichtung.« Quinn machte Platz und schloss die Tür hinter Renz, nachdem er eingetreten war.
Renz setzte sich aufs Sofa und schlug die Beine übereinander. Dann schaute er sich um. »Ich weiß nicht, ob das eine Beleidigung war, aber eigentlich ist es mir egal. Sie haben aufgeräumt. Keine Zeitschriften, keine Zeitungen, keine Orangenschalen mehr auf dem Boden. Und ist das ein neuer Schimmelpilz da in der Ecke?«
»Der Schimmel ist derselbe. Die Orangenschalen passten nicht zum Teppich, deshalb mussten sie weg. Sie passen auch nicht.«
»Vergessen Sie nicht, dass ich Ihr Freund bin, Quinn. Ihr Weg nach oben und zurück.« Renz schnüffelte demonstrativ herum, rümpfte die Nase und kniff die Augen zusammen. »Es riecht hier gar nicht mehr so übel. Ist das Insektengift? Oder verbrennen Sie Räucherstäbchen?«
»Sind Sie gekommen, um mir mehr Geld zu geben?«
»Brauchen Sie mehr?«
»Noch nicht«, antwortete Quinn ehrlich.
»Ist Ihnen etwas in der Wohnung der Elzners oder beim Lesen der Akte aufgefallen?«
»Nicht viel«, sagte Quinn. »Die Einkäufe stören mich. Das Erdbeergelee.«
»Gelee?«
»Marmelade, um genau zu sein. Es handelt sich um eine ziemlich teure Feinkost-Marke. Es gibt zwei Gläser unter den Lebensmitteln in den Plastiktüten und auf dem Küchentisch. Und im Kühlschrank steht ein fast volles Glas von dem Zeug.«
Renz schlug seine Beine auseinander und verschränkte die Arme, während er darüber nachdachte. »Jemand anderes hat die Lebensmittel gekauft. Jemand, der nicht wusste, dass die Elzners noch genug Gelee hatten.«
»Marmelade.«
»Trotzdem merkwürdig. Zwei Gläser …«
»Vielleicht waren sie ein Geschenk von jemandem, der wusste, dass einem oder beiden Elzners diese Marmelade schmeckte.«
»Ein Geschenk.« Renz legte seine Fingerspitzen aneinander. Ihm gefiel die Idee mit dem Geschenk, außer … »Aber warum sollte jemand den Elzners etwas schenken und sie dann töten?«
»Vielleicht hatte er nicht vor, sie zu töten.«
»Vielleicht.« Renz grinste. »Und ganz zufällig hatte er eine Pistole mit einem Schalldämpfer dabei. Der Punkt ist, wenn Sie recht haben, dann ist auf jeden Fall eine dritte Person im Spiel. Ein Mörder, der jetzt frei herumläuft.«
»Eine dritte Person, die wieder gegangen sein könnte, bevor die Elzners getötet wurden.«
Renz lächelte Quinn spöttisch an. »Versuchen Sie nicht, mich zu verarschen. Sie fangen an, wie ich zu denken, und Sie wissen das.«
»Ich bewege mich in die Richtung«, gab Quinn zu. Er wollte Renz nicht wissen lassen, dass er fast schon den ganzen Weg zurückgelegt hatte. »Noch was: Es könnte Zufall sein, dass auf den Plastiktüten nicht der Name eines Geschäfts aufgedruckt war. Vielleicht hat der Mörder aber auch absichtlich in einem Laden eingekauft, dem man die Tüten nicht zuordnen kann, damit sich niemand an ihn erinnert.«
»Sehr gut, Quinn. Ich wusste, dass Sie einen anderen Blickwinkel auf die Sache haben und Ihnen etwas Neues auffallen würde. Sie haben mich nicht enttäuscht.«
»Da bin ich aber stolz. Sind sie hier, um mir irgendetwas Neues zu erzählen?«
»Ja, ich fürchte, die Dinge haben sich geändert. Egan hat rausgefunden, dass Sie an dem Fall dran sind. Ich glaube, ein Streifenpolizist namens Mercer hat es ihm gesteckt.«
»Großer, breitschultriger Kerl mit blauen Augen und braunen Haaren?«
»Ja, das passt.«
»Er kam aus dem Aufzug bei den Elzners, als ich rein bin.«
»Konnte er Sie gut sehen?«
»Genauso gut wie ich ihn.«
»Dann muss es er gewesen sein. Der Scheißkerl hat es Egan erzählt.« Renz legte die Stirn in Falten. »Mercer hat einen Fehler gemacht. Einen Fehler, für den er teurer und früher bezahlen wird, als er denkt. Egan hat vielleicht schon den Chief informiert. Vielleicht auch die Presse, wobei ihm das nichts bringen wird.«
»Warum
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