Opferzeit: Thriller (German Edition)
Melissa und richtet ihre Pistole zuerst auf sie, dann auf den Mann und dann wieder zurück auf die Frau. »Und jetzt möchte ich, dass ihr beide mir einen Grund gebt, warum ich euch am Leben lassen soll«, fügt sie hinzu. »Denn falls ihr mir diesen Grund nicht gebt, finde ich sicher andere Kollegen, die dazu bereit sind.«
Kapitel 53
Überall am Boden ist Blut, und ein bisschen was ist auch an der Wand. Das Blut an der Wand hat die Form zweier Handabdrücke, von denen blutige Schleifspuren zum Boden führen, und beide Abdrücke stammen von einer linken Hand, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass Cole oder Kenny die Wand berührt haben. Ich hocke immer noch auf der Toilette. Nicht weil ich das so will, sondern weil ich muss. Der Raum stinkt nach Blut und Scheiße, und Kenny hat ebenfalls geschissen, vermutlich eine weitere Sache, für die man ihn in Erinnerung behalten wird. Santa Suit Kenny – Sänger, Gewaltverbrecher und Retter des Schlächters von Christchurch. Was sie wohl bei seiner Beerdigung sagen werden? Ich überlege, wer wohl der echte Kenny war, aber das wird wohl nie jemand erfahren.
Glenn und Adam kommen herein. Glenn packt Kenny bei den Füßen, und Adam schnappt ihn bei den Armen, wobei sie mich keines Blickes würdigen. Sie heben ihn einfach hoch, er sackt in der Mitte durch, und für einen kurzen Augenblick denke ich, sie werden ihn zusammenfalten wie ein Bettlaken, aber dann tragen Sie ihn einfach nur aus der Zelle. Wenn die Polizei eintrifft und Nachforschungen anstellt, werden Sie einfach behaupten, sie hätten ihn rasch in die Krankenstation bringen wollen. Allerdings besteht überhaupt kein Grund zur Eile. Sie werden ihn einfach ausbluten lassen, weil ein Kerl wie Kenny es nicht wert ist, gerettet zu werden. Sie wollen es einfach nur so aussehen lassen, als hätten sie etwas unternommen.
Kenny hat mir das Leben gerettet. Ich wünschte, ich könnte ihm dafür danken. Das Beste, was ich für ihn tun könnte, wäre wohl, eines seiner Bücher zu kaufen, aber er hat ja nie eines geschrieben. Vielleicht sollte ich wenigstens eine seiner CDs kaufen.
Ich beende mein Geschäft, spüle es runter, bringe meine Kleider wieder in Ordnung und starre auf das Blut am Boden, das leicht mein eigenes hätte sein können. Auch auf meinem Hemd klebt Blut, das nicht von mir stammt. Ich ziehe es aus. Lege es auf mein Bett. Ich kann noch immer Kennys Gesichtsausdruck vor mir sehen, seinen Unglauben, dass man ihn tatsächlich erstochen hat, seine Einsicht, dass er sich in großen Schwierigkeiten befindet, und seine Hoffnung, dass er nicht sterben wird. Ich habe diese Hoffnung schon in den Gesichtern anderer Menschen gesehen, und ich habe es immer genossen zu verfolgen, wie sie langsam schwand. Aber diesmal war es anders, und ich möchte nicht mehr darüber nachdenken, ich möchte mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, schließlich ist das heute mein großer Tag. Kenny würde das so wollen. Es würde ihm nicht gefallen, wenn er das Gefühl haben müsste, nur dafür gestorben zu sein, dass ich mich anschlie ßend in meiner Zelle herumdrücke und mich selbst bemitleide.
Ich nehme die Hochzeitseinladung in die Hand, die meine Mutter mir geschickt hat. Mom wird während meines ersten Verhandlungstags nicht dabei sein, um mich zu unterstützen, und ich habe keine Ahnung, wieso mich das überrascht. Gegen Ende des Tages wird sie verheiratet sein. Ich falte die Karte in der Mitte und stecke sie in meine Tasche. Meine Mom wird zwar heute nicht bei mir sein, aber wenn ich die Hochzeitseinladung bei mir trage, fühle ich mich etwas weniger verloren. Vielleicht bringt sie mir ja Glück. Ich beginne mich zu fragen, ob sie mich wegen der Ereignisse der letzten Minuten heute womöglich hierbehalten, oder ob ich trotzdem zum Gericht gebracht werde. Die Antwort auf meine Frage erhalte ich nicht mal eine Minute später, als vier Gefängnisaufseher meine Zelle betreten. Einer von ihnen wirft mir ein frisches Hemd zu – frisch verglichen mit dem blutbeschmierten Hemd. Während ich hinein schlüpfe, redet keiner von ihnen über das, was gerade passiert ist. Fast scheint es so, als hätten sich die letzten fünf Minuten nie ereignet – der einzige Beweis dafür ist das Blut auf dem Boden, das höchstwahrscheinlich verschwunden sein wird, wenn ich zurückkehre. Santa Suit Kennys Zelle wird von jemand Neuem bewohnt sein, ein anderer Kenny, der aber mindestens ebenso böse ist.
Sie führen mich runter zum Ausgang,
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