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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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war ein Unfall.«
    »So wie ihre Narben ein Unfall waren.«
    »Genau«, sage ich, und ich bin froh, dass sie anfängt zu begreifen.
    »Sie haben mir immer noch nicht erzählt, ob Sie noch mehr Tiere getötet haben, Joe.«
    »Warum sollte ich?«, frage ich, aber ja, ich habe noch mehr Tiere getötet – um von den Leuten zu kriegen, was ich wollte.
    »Okay. Ich denke, dass wir für heute mehr oder weniger fertig sind«, sagt sie und legt den Notizblock zurück in ihren Aktenkoffer. Es ist ein ähnliches Modell wie das, in dem ich mein Mittagessen, meine Messer und meine Pistole trans portiert habe, und für einen Moment, für eine knappe Sekunde, frage ich mich, ob er nicht in Wirklichkeit mir gehört.
    »Warum?«
    »Weil Sie nicht sehr mitteilsam sind, darum.«
    »Was?«
    »Die Tiere. Ich habe Sie zweimal danach gefragt, und zwei mal sind Sie der Frage ausgewichen. Das legt die Vermutung nahe, dass Sie meine Hilfe nicht wirklich wollen.«
    »Halt«, sage ich und versuche aufzustehen, doch die Handschellen hindern mich daran.
    »Ich werde mir überlegen, ob ich morgen wiederkomme«, sagt sie.
    »Was soll das heißen? Dass Sie vielleicht nicht wiederkommen?«
    »Ich muss entscheiden, ob Sie sich alles, was Sie mir erzählen, nur ausgedacht haben. Ob Sie mir nur erzählen, was ich Ihrer Meinung nach hören will. Dass Sie sich nicht mehr daran erinnern, was Sie diesen Frauen angetan haben –, ich weiß nicht, es könnte mir schwerfallen, Ihnen das abzukaufen. Ich habe so was schon mal erlebt. Und vielleicht ist es diesmal wieder so. Ihnen scheint sehr bewusst zu sein, was Sie sagen, und das könnte bei Ihrem Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit zum Problem werden.«
    Ich erwidere nichts. Offensichtlich fahre ich besser, wenn ich nichts sage.
    Sie geht zur Tür und hämmert dagegen.
    »Halt«, sage ich.
    »Was denn?«
    »Bitte. Bitte, wir reden hier über mein Leben. Ich habe Angst. Es gibt hier Leute, die mich umbringen wollen. Ich habe keine Ahnung, was ich verdammt noch mal die letzten Jahre getan habe, ich weiß nicht mehr weiter, ich habe Angst, bitte, gehen Sie nicht. Noch nicht. Auch wenn Sie mir nicht glauben, ich brauche jemanden zum Reden.«
    Der Wärter öffnet die Tür. Ali steht da und starrt mich an, und der Wärter steht da und starrt sie an.
    »Ma’am?«, sagt er.
    Sie sieht den Wärter an. »Falscher Alarm«, sagt sie und tritt zurück an den Tisch. Der Wärter schafft es, gleichzeitig mit den Achseln zu zucken und die Augen zu verdrehen, wäh rend er die Tür wieder schließt.
    »Wollen Sie mich doch noch eine Weile sehen, ja, Joe?«
    Am liebsten würde ich gerne so viel wie möglich von ihr sehen. Wenn die Handschellen und der Wärter draußen nicht wären, würde ich versuchen, jeden Quadratzentimeter von ihr zu sehen.
    »Natürlich.«
    »Dann sagen Sie mir die Wahrheit, okay?« Sie setzt sich wieder. Dann beugt sie sich auf ihrem Stuhl nach vorne, und man muss ihr zugute halten, dass sie diesmal ihre Finger nicht verschränkt – jedenfalls nicht sofort, erst nachdem sie gefragt hat: »Werden Sie jetzt aufhören, Spielchen mit mir zu spielen, Joe?«
    »Ja.«
    »Dann reden wir nochmal über Ihre Kindheit.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Meine Mom und mein Dad waren ganz normale Leute.«
    »Ihr Vater hat sich umgebracht«, sagt sie. »Das ist nicht normal, Joe.«
    »Ich weiß. Ich meinte, also, unsere Rollenverteilung war ganz normal. Dad ging zur Arbeit, Mom machte den Haushalt, und ich ging zur Schule. Das Einzige, was sich änderte, war, dass wir älter wurden.«
    »Wie haben Sie sich gefühlt, als er sich umgebracht hat?«
    Ich schüttle den Kopf. Eigentlich möchte ich darüber nicht reden. »Ist das Ihr Ernst? Was glauben Sie wohl, wie ich mich gefühlt habe?«
    »Suchen Sie schon wieder nach Antworten, Joe?«
    »Nein. Natürlich nicht. Ich war wütend. Fassungslos. Verwirrt. Ich meine, der Typ war mein Vater. Er sollte eigentlich immer da sein. Mich beschützen. Aber er dachte, also, er dachte einfach Scheiß drauf und machte allem ein Ende. Das war ziemlich egoistisch.«
    »Haben Sie damals eine Therapie gemacht?«
    »Warum hätte ich das tun sollen?«
    »Hat Ihr Vater einen Abschiedsbrief hinterlassen?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, warum er es getan hat?«
    »Nicht wirklich«, sage ich, aber das stimmt nicht ganz. Hin und wieder habe ich diesen Traum, und manchmal glaube ich, dass es sich in Wirklichkeit um eine Erinnerung und nicht um einen Traum handelt. Und hier kommt Onkel Billy

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