Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
Vom Netzwerk:
Lüftchen, und das macht, was sie an diesem Morgen tun müssen, sehr viel angenehmer. Er duscht und betrachtet sich danach einige Minuten im Spiegel, während er sich fragt, was er sich zur Zeit ständig fragt: was mit seinem Körper passiert ist, mit seinem Gesicht und mit den zurückliegenden Jahren. Und er denkt an Stella, Stella, die innerlich zerbrochen ist, Stella, die ihm helfen wird, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen.
    Er hat Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Obwohl er momentan meist nicht viel isst. Man kann das ziemlich deutlich sehen, wenn er kein Hemd trägt. Das liegt daran, dass er keinen Appetit hat und zu faul ist. Und an der Arbeit – obwohl er zurzeit nicht wirklich arbeitet. Aber heute wird er sich ein richtiges Frühstück zubereiten. Heute hat er was zu feiern. Er macht sich Waffeln. Er verrührt den Teig und gießt ihn ins Waffeleisen, eine Portion nach der anderen; und das dauert länger, als er gedacht hat, aber bei Waffeln täuscht man sich jedes Mal. Er isst sie mit Ahornsirup und Frühstücksspeck. Dazu trinkt er eine Tasse Kaffee und ein Glas Orangensaft. Mein Gott, tut das gut. Zum ersten Mal seit über einem Jahr fühlt er sich innerlich nicht mehr wie betäubt, nicht mehr leer. Zum ersten Mal seit über einem Jahr tobt die Wut wieder durch seinen Körper und sucht nach einem Ventil. Damals hatte er sogar einen Namen für die Wut. Die Rote Raserei. Die Rote Raserei hat ihn nachts nicht schlafen lassen, und er hat nach einer Möglichkeit gesucht, seine Tochter zu rächen, aber ihm fiel nichts ein. Denn er wusste nicht, wer sie getötet hatte. Er ist kein Cop. Und konnte nicht herausfinden, wer es war. Und dann wurde Joe geschnappt, und die Rote Raserei musste da mit klarkommen, dass es keine Rache geben würde, denn Joe saß im Knast, also machte die Rote Raserei einen Winterschlaf.
    Raphael hätte nicht gedacht, dass sie je wieder aufwachen würde.
    Er setzt mit dem Wagen rückwärts aus der Garage. Der Morgen ist nicht ganz so kalt, wie er beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster vermutet hatte. Für den Plan, den er mit Stella ausgeheckt hat, brauchen sie gutes Wetter, und laut Vorhersage steht genau das heute auf dem Plan. Die Straßen sind trocken, aber die Rasenflächen und Gärten sind noch feucht. Es hat sieben Grad, und die Temperaturen werden vielleicht noch um ein, zwei Grad steigen, mehr aber nicht. Es herrscht kaum Verkehr. Raphael hat das Radio eingeschaltet. Es läuft eine Sendung mit Hörerbeteiligung. Raphael ist ganz versessen darauf. Seit ein paar Monaten schon. Er denkt die ganze Zeit, dass er eigentlich mal dort anrufen sollte. Andere tun das. Und sagen, was sie von der Todesstrafe halten; sämtliche Anrufer vertreten zu diesem Thema einen extremen Standpunkt.
    Das tut er auch.
    Er fährt zu dem Café, in dem er gestern Abend mit Stella war. Es ist ein Laden namens Dregs, der zu keiner Kette gehört, und jede freie Fläche an der Wand ist mit alten Filmplakaten zugehängt, sogar eines der Fenster ist mit Film postkarten beklebt. Diesmal geht er nicht hinein. Denn Stella wartet in ihrem Wagen auf dem Parkplatz dahinter, der zu einem Dutzend Geschäften gehört, darunter ein paar Friseure und ein Sexshop. Er hält neben ihr und öffnet den Kofferraum. Und hilft ihr dabei, die Sachen aus ihrem Wagen in seinen zu laden. Den Schwangerschaftsanzug hat sie nicht angezogen.
    Zusammen fahren sie los. Die Sendung mit Hörerbeteili gung läuft immer noch. Und die Leute rufen immer noch an.
    »Ich weiß ehrlich nicht, was in den Leuten vor sich geht«, sagt Raphael. »Wie kann man nur dagegen sein? Wie kann man nur beim Anblick eines Monsters wie Joe Middleton sagen, dass er Rechte hat? Die Leute bringen da was durcheinander. In ihren Augen ist die Tötung eines Verbrechers Mord, aber es ist kein Mord. Wie kann es das sein, wenn die Leute, die hingerichtet werden, nichts Menschliches an sich haben?«
    »Das sehe ich auch so«, sagt sie, und natürlich tut sie das – sie würden das hier nicht tun, wenn sie nicht derselben Meinung wären.
    Auf der Schnellstraße bleiben sie hinter einem Lkw hän gen, einem Laster mit zwei Anhängern voller Schafe; die Tiere starren zwischen den Holzlatten der Wände auf die vorbeiziehende Landschaft, ohne zu ahnen, dass ihr Leben bald so schnell wie die Landschaft an ihnen vorüberziehen wird; ohne zu ahnen, dass Lkws voller Schafe in der Regel an Orte fahren, wo man dem Vieh das Leben austreibt. Das wäre ebenfalls Mord, laut den

Weitere Kostenlose Bücher