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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Schlafengehen.«
    Er drehte sich zu Heinrich Jansen um. »Oder waren es hundert? Auf jeden Fall müssen es genug sein, dass du keine sündigen Gedanken mehr hast und die Hände oben auf der Bettdecke bleiben. Klar?«
    »Wie? Soll ich etwa jetzt … «
    Er beachtete sie gar nicht mehr, sondern rieb sich die Hände vor Freude über etwas, das er auf seinem Laptop sah. Er zitterte geradezu vor Aufregung.
    Erst jetzt wurde Susanne Möninghoff wirklich bewusst, dass er sie im Gegensatz zu dem alten Mann nicht gefesselt hatte. Sie saß einfach so in der Ecke. Warum machte sie keinen Fluchtversuch? Hatte er draußen Selbstschussanlagen? Warteten dort Komplizen? Glaubte er, dass sie so große Angst vor ihm hatte, dass sie nicht versuchen würde, durch einen Fluchtversuch seinen Unmut zu erregen?
    Fesseln wären jetzt gut gewesen, dachte sie. Fesseln hätten sie daran gehindert, mit Liegestützen zu beginnen.
    Sie blieb einfach ganz ruhig sitzen und hoffte, dass er es vergessen würde. Doch da unterschätzte sie ihn gewaltig. Plötzlich federte er hoch und drosch ohne Vorwarnung mit der Reitgerte auf sie ein. Er brüllte: »Ich hab dir gesagt, du sollst Liegestütze machen! Liegestütze! Liegestütze! Liegestütze! Liegestütze!«
    Zweimal klatschte das Leder auf ihren Kopf. Einmal erwischte er sie nah am Auge. Wie oft er ihren Rücken traf, zählte sie nicht.
    Sie begann sofort mit ihren Liegestützen, doch er hörte nicht auf, ihren Rücken, ihren Hintern und ihre Beine mit Schlägen zu bearbeiten.
    »Zählen!«, forderte er. »Du sollst zählen!«
    »Eins … Zwei … Drei … Vier … «
    »Lauter!«
    Sie war eine sportliche Frau und hatte in ihrem Leben viel Zeit darauf verwendet, fit zu bleiben. Aber wenn sie etwas hasste, dann Liegestütze. Bauch, Beine. Po, das waren ihre Übungen. Liegestütze gehörten für sie zum Männersport. Schon nach dem siebten blieb sie fast am Boden kleben, und nur die Angst trieb ihren Körper wieder hoch. Es war mehr ein Sprung nach oben, als dass es ihr gelang, sich mit der Armmuskulatur hochzudrücken.
    Abgehetzt hörte er auf, sie zu schlagen. Er japste nach Luft. Dann wurde er plötzlich versöhnlich. »Die Zeit hier wird dir guttun. Du wirst schon sehen. Du wirst gesund werden und abnehmen.« Er lachte. »Wie in dem Film. Kennst du ihn? Die unheimliche Entführung der MrsStone? Die ist ihren Entführern hinterher auch ganz dankbar gewesen, weil sie täglich abnahm während der Zeit, als sie gefangen gehalten wurde, und das hatte sie vorher mit Diäten nie geschafft.«
    Susanne Möninghoff kannte den Film mit Bette Midler und keuchte: »Das war eine Komödie! Das war nicht ernst gemeint. Niemand wird gerne entführt. Keiner ist dankbar deswegen.«
    Gleichzeitig war sie erleichtert, denn das alles bedeutete doch, dass er nicht vorhatte, sie umzubringen. Er sprach von einem »Danach«. Sie schöpfte Mut, und sosehr ihre Arme auch schmerzten, sie versuchte, sich noch ein paar Liegestütze abzupressen. Dann, nach Nummer fünfzehn, blieb sie mit dem Gesicht
auf dem dreckigen Boden liegen. »Ich kann nicht mehr«, hechelte sie. »Ich kann nicht mehr. Bitte. Kann ich nicht was anderes tun?«
    Ihr Atem fegte über die staubigen Kacheln wie der ostfriesische Wind über den Deich und trieb eine Wolke aus Haaren, Federn, Spinnweben und Staub vor sich her.
    »Der letzte zählte nicht. Der war nicht richtig. Du musst nochmal bei vierzehn anfangen!«, quengelte er wie ein enttäuschtes Kind, das ein anderes beim Schummeln erwischt hat.
    Er sah zu Heinrich Jansen. »Stimmt doch, oder? Solche halben darf man nicht gelten lassen. Wenn das erst einreißt, dann wird alles so lau und wischiwaschi.«
    Er streichelte über ihren kahlrasierten Schädel. »Siehst du – so bist du. Der Geist ist schwach und der Körper auch. Vielleicht mach ich uns erst mal was zu essen. Gibt es etwas, das du nicht magst?«
    Entweder war sie naiv und geschwächt genug, um die Teufelei, die sich hinter seiner Frage verbarg, nicht zu verstehen oder warum sonst sie antwortete: »Ja. Ich kann Rosenkohl nicht ausstehen.«
    »Oh«, lächelte er zufrieden, »dann haben wir ja Glück. Ich habe genug Rosenkohl da. Der kluge Mann sorgt vor.«
     
    Ann Kathrin Klaasen schloss die Tür zu ihrem Haus im Distelkamp 13 auf. Sie wusste, dass sie ab jetzt beobachtet wurde, und sie hatte vor, sich so zwanglos wie nur irgend möglich zu benehmen.
    Wenn er weiß, dachte sie, dass wir seine Wohnung gefunden haben, dann weiß er auch, dass wir im

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