Ostfriesenblut
Maria Landsknecht völlig unbekannt.
Über den Suchbegriff
Maria Landsknecht
in Frau Orthners Word-Dokumenten suchte Ann Kathrin nach Verbindungen zur zweiten Leiche, aber ihr Name kam in all den Dokumenten nicht vor.
Staatsanwalt Scherer war an diesem Tag besonders schlecht gelaunt. Man hatte ihn aus dem Urlaub geholt, und eine innere Stimme sagte ihm, dass seine Frau diese Nacht mit dem italienischen Kellner verbringen würde, der ihr schon die ganze Zeit über schöne Augen gemacht hatte.
Ann Kathrin referierte: »Er muss Maria Landsknecht mit einer Art Bambusstock oder Reitgerte geschlagen haben. Vielleicht auch einer Peitsche. In der Wohnung haben wir so einen Gegenstand aber nicht gefunden. Er hat ihn vermutlich mitgebracht
und auch wieder mitgenommen. Überhaupt ist der Täter bestens vorbereitet. Er muss die Opfer lange vorher ausspioniert haben. Er wusste zum Beispiel genau, wann sie Besuch bekommen. Er brachte sich alles mit, was er brauchte: Schere, Klebeband, einen Fotoapparat. Er versuchte, sehr genau das Setting zu bestimmen. Stuhl, Buchregal … «
»Das wissen wir doch alles«, stöhnte Scherer. Er hatte das Gefühl, beim letzten Fall hätte Ann Kathrin Klaasen ihm die Show gestohlen. Die ganze gute Presse galt ihr. Am liebsten hätte er den
Ostfriesischen Kurier
abbestellt. Er wurde nicht ein einziges Mal erwähnt. Alles drehte sich um sie: Kommissarin Ann Kathrin Klaasen.
Seine Mundwinkel neigten sich nach unten, doch Ann Kathrin fuhr fort: »Wir müssen uns fragen, ob er bei seinem zweiten Opfer, das wir als erstes gefunden haben, auch schon die Reitgerte mitgehabt, aber nicht benutzt hat. Wenn ja, warum hat er beim zweiten Mal die Reitgerte nicht benutzt? Weil das Opfer tat, was er wollte? Was aber will er von den Frauen? Und hat Frau Landsknecht sich geweigert, irgendetwas zu tun, das er von ihr verlangt hat? Er muss die ganze Zeit über Handschuhe tragen, denn wir haben, zum Beispiel an der Heizung, keine Fingerabdrücke von ihm gefunden, obwohl er sie garantiert angefasst hat. Abgewischt wurde da nichts, denn es sind genügend Fingerabdrücke von der Toten darauf. Vermutlich ist er eine unauffällige Person. Keinem Nachbarn ist jemand aufgefallen.«
Scherer schlug mit der Faust auf den Tisch. Er hatte die Ärmel aufgekrempelt und wirkte jetzt ein bisschen wie ein Biertischpolitiker. »Was soll das denn bedeuten? Was sind das denn für Sätze? Eine unauffällige Person! Sollen wir so eine Fahndung herausgeben?«
»Ich sage nur, was wir wissen. Vielleicht maskiert er sich auch nur besonders klug. Verändert ständig sein Aussehen.«
»Ja, oder er kommt nur nachts!«, wetterte Staatsanwalt Scherer.
Ann Kathrin Klaasen schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist auch tagsüber gekommen. Einige der Fotos sind ohne Blitzlicht gemacht worden.«
In dem Moment fiel ihr glühend heiß etwas ein. Vielleicht gab es eine Übereinstimmung der beiden in den Buchregalen. Natürlich! Sie musste die Buchregale überprüfen! Vielleicht fanden sich da Hinweise. Sie wusste nicht genau, wonach sie suchte, doch Bücher sagten viel über die Menschen aus, die sie lasen. Vielleicht war der Kontakt der beiden Frauen ja schon sehr lange her. Vielleicht hatten sie mal Bücher getauscht. Vielleicht besaß Maria Landsknecht nicht nur einen Angelique-Roman aus der Bibliothek, vielleicht auch ein Buch, das Regina Orthner ihr geschenkt hatte.
Sie konnte das jetzt unmöglich sagen. Es hätte sehr unprofessionell ausgesehen, wenn sie jetzt plötzlich Einfälle hatte und die auftischte. Wie sollte jemand wie Scherer das nachvollziehen können? Er war Systematiker. Zumindest behauptete er das von sich. Für Ann Kathrin Klaasen war er ein Systematiker ohne System.
Es war noch hell, doch Ann Kathrin hatte bereits zehn Stunden Dienst hinter sich. Sie fühlte sich wie gerädert, doch sie wusste, sie konnte auf keinen Fall ins Bett gehen, ohne vorher mit ihrem Sohn gesprochen zu haben. Wie eine drohende Lawinengefahr schwebte die Zivilklage der Bundesbahn über ihr. Außerdem wollte sie wissen, was Eike getrieben hatte, solchen Blödsinn anzustellen.
Am liebsten hätte sie ihn wieder zu sich geholt. Ein Kind gehörte zu seiner Mutter, nicht zu seinem Vater und dessen Geliebter, fand sie. Vielleicht war das eine spießige Ansicht, und noch vor kurzem hätte sie theoretisch auch das Gegenteil vertreten.
Sie war doch locker und frei. Sie fand es in Ordnung, wenn Schwule heirateten, und jeder sollte nach seiner eigenen Fasson
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