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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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müssen.
     
    Ann Kathrin Klaasen saß fassungslos über den Tagebüchern. Sie fragte sich, in welcher Welt sie bisher gelebt hatte. Von solchen Perversionen der Erziehung hatte sie noch nie gehört.
    Um Sachlichkeit bemüht, sagte sie: »Das ist seine Schrift hier. Er hat in jedes Tagebuch die Namen seiner Zöglinge geschrieben. Das heißt, er hatte die Verfügungsgewalt über die Bücher. Wahrscheinlich hat er sie sogar schon ausgestellt und ihnen gegeben. Das bedeutet, irgendwo laufen Hunderte erwachsener Männer herum, die wissen, dass die Zeugnisse ihrer Qualen und Demütigungen im Besitz von Heinrich Jansen sind, der damit nach Gutdünken verfahren kann. Listet alle Namen auf und jagt sie durch die Computer. Der Täter ist garantiert unter ihnen.«
    »Hör dir das an«, feixte Rupert: »Ich konnte wirklich nichts dafür. Es war schon alles nass in meiner Schlafanzughose, als ich wach wurde. Ich hatte geträumt, von einem Berg zu fallen. Ich fiel immer tiefer, und dabei muss es passiert sein. Aus Angst.«
    Ann Kathrin warf Rupert einen missbilligenden Blick zu. »Bitte geh damit respektvoller um. Das sind keine Dokumente, über die wir lachen sollten. Das steht uns einfach nicht zu.«
    Rupert wich sofort zurück und nickte. In dem Moment
klingelte Ann Kathrins Handy. Sie sah schon auf dem Display: Hero. Er hatte eine wirklich gute Gabe, immer zum falschen Zeitpunkt anzurufen.
    Sie meldete sich nicht mit
Ann Kathrin Klaasen
, sondern verpasste ihm sofort eine Abfuhr: »Ich kann jetzt nicht.«
    Er stöhnte einen Moment. Das war sie gewöhnt. Sie erwartete, dass er jetzt sagen würde:
Schon klar. Wie immer. Entschuldige bitte, dass Eike und ich auch noch da sind
… Doch das tat er nicht. Statt Vorwurf lag Verzweiflung in seiner Stimme.
    »Ann, bitte, ich weiß, es ist total dämlich, dass ich dich anrufe. Und glaub mir, wenn ich einen anderen Weg wüsste, dann … «
    Etwas in seiner Stimme machte sie weich. »Was ist denn?«
    »Susanne ist entführt worden! Aber deine Kollegen interessiert das einen Dreck. Sie wimmeln mich ab. Sie nehmen nicht mal eine Vermisstenmeldung auf … «
    Ann Kathrin verzog die Mundwinkel. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Soll ich jetzt meine Ermittlungen in einem Mordfall unterbrechen, um die Geliebte meines Mannes zu suchen? Kannst du auf dein Betthäschen nicht selber aufpassen?«
    Das Wort
Betthäschen
tat ihr gleich wieder leid. Sie verließ den Raum, um ungestört zu sein. Rupert hatte sich schon bequem hingesetzt, um dem Streit zuzuhören.
    »Ann, bitte, hör mir zu. Sie ist heute Morgen zum Joggen nach Norddeich-Mole gefahren. Ihr Wagen steht auf dem Parkplatz. Die Tür ist offen. Nur, sie ist nicht zurückgekommen. Sie wollte uns Frühstück machen, Eike zur Schule fahren und … «
    »Hero, ich bin wirklich die falsche Person, um deine Geliebte zu suchen.«
    »Wann, wann beginnt ihr zu arbeiten?«, schrie er. »Wenn ich einen abgeschnittenen Finger von ihr finde?«
    Ann Kathrin konnte nicht anders. Sie gab es ihm jetzt zurück. »Was meinst du, wie oft ich nicht wusste, wo du warst. Denn da, wo du angeblich warst, bist du ja genau nicht gewesen! Jede
meiner Nachprüfungen lief ins Leere, wenn ich deinen Worten geglaubt habe! Stell dir mal vor, damals wäre jedes Mal die Norder Polizei ausgerückt, um dich zu suchen.«
    »Ann Kathrin, das ist etwas anderes!«
    »So? Was soll denn daran anders sein? Vielleicht reicht ihr ein sanfter Psychologe im Bett nicht. Vielleicht braucht sie auch noch einen wild rammelnden Buchhalter oder einen Typen aus dem Fitnesscenter, mit aufgeblähtem Bizeps und Sixpack.«
    »Ich wusste nicht, dass du so gemein und ordinär sein kannst, Ann Kathrin.«
    »Ich auch nicht!«
    Sie ging unter den großen Bäumen vor der Seniorenresidenz spazieren. Der Wind kämmte die Sträucher durch. Bei einer großen, blau blühenden Hortensie stand eine Bank. Dort saß ein Herr, der auf seinen 80 . Geburtstag wartete, vertieft in einen alten Krimi von Hansjörg Martin. Eine dünne, zerlesene rororo-Ausgabe. Er tat nur so, als ob er lesen würde. Er hörte Ann Kathrin zu. Die Kraft der jungen Frau gefiel ihm, und sie sprach angenehm laut, sodass er alles mühelos verstehen konnte.
    »Du hattest während unserer Ehe viel mehr Sex als ich!«, schrie sie. »Du musst schon selber zusehen, wie du an deine Freundinnen kommst und sie behalten kannst. Ich will mir das einfach nicht zum Problem machen, das müsstest du doch verstehen! – Ich hatte gehofft, dass du mit mir

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