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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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schlafen legte. Bis jetzt hatte sie fünf Fernsehgeräte mit DVD -Playern im Haus gezählt, auch in diesem Gästezimmer stand einer. Als sie sich ins Bett legen wollte, musste sie zuerst mehrere DVD s zur Seite räumen, die am Fußende unter der Decke lagen. Zwei Zeichentrickfilme, drei Pornos und einen Horrorfilm. Nichts illustrierte die Situation, in der Sylvia lebte, mehr.
    Ann Kathrin hatte ihre Heckler & Koch mit ins Bett genommen. Zum ersten Mal im Leben schlief sie mit der Waffe unterm Kopfkissen. Sie hätte ihr wenig genutzt, wenn in diesem Moment der Mörder hereingekommen wäre, denn sie war von diesem Tag restlos geschafft. Sie fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf und bemerkte nicht einmal, dass Sylvia sich zu ihr unter die Bettdecke schob und sich an sie kuschelte.
    Gegen vier Uhr morgens wurde Ann Kathrin wach, weil Sylvia im Bett fast quer lag und herumwühlte, während sie durch das Traumland joggte.
    Ann Kathrin legte ihre Hand auf Sylvias Kopf. Jetzt kuschelte Sylvia sich an sie, so wie sich Eike früher im Bett an sie gedrückt hatte.
    Ann Kathrin spürte es wie einen stechenden Schmerz. Sie fühlte sich mit Sylvia zutiefst verbunden. Sie war nicht geistig behindert, und sie war nicht reich. Aber sie war genauso einsam und verlassen und fühlte sich von den Männern hereingelegt und ausgebeutet.

Sonntag, 01.Mai, 09.15 Uhr
    Als Ann Kathrin Klaasen wach wurde, hatten die regulären Demonstrationen zum 1.Mai bereits begonnen. Sie stand leise auf. Sylvia lag nicht mehr neben ihr. Ann Kathrin suchte das Bad. Sie konnte unmöglich so zu ihrem Einsatz fahren. Sie wollte auch nicht sonntagmorgens verschlafen im Distelkamp auftauchen, nachdem ihr Mann gerade ausgezogen war. Das sah ja so aus, als ob sie sich schon mit einem anderen treffen würde.
    Sie musste über sich selbst lachen. Als ob das etwas ausmachen würde …
    Als Ann Kathrin aus dem Bad kam, duftete es bereits nach Kaffee und Eiern. Sylvia stand in einem pinkfarbenen T-Shirt am Herd und brutzelte Spiegeleier. Der Toaster spuckte geröstete Weißbrotscheiben aus.
    Ann Kathrin sah die Aufschrift auf Sylvias T-Shirt mit Missfallen:
    Ich bin eine Wohlfühlmatratze
    »Hat dir das Tim geschenkt?«, fragte Ann Kathrin.
    Sylvia lachte. »Nein, der Rainer. Der mag so Zeug. Auf dem Markt ist manchmal ein Stand, da haben sie so T-Shirts. Der Rainer lässt sich immer vorlesen, was draufsteht, und dann kauft er die Dinger für sich und seine Freunde.«
    Auf eine gewisse Art tat Sylvias Anhänglichkeit Ann Kathrin gut. Aber trotzdem wollte sie sie nicht mit zur Demonstration nehmen.
    »Es ist zu gefährlich«, sagte sie und bestrich sich einen Toast mit Butter. Aber Sylvia schüttelte den Kopf: »Wenn es gefährlich wird, bin ich erst recht mit dabei. Oder glaubst du etwa, ich lasse eine Freundin im Stich? So eine bin ich nicht. Auf mich kannst du dich verlassen.«
    »Bist du schon mal auf einer Demonstration gewesen?«
    Sylvia schüttelte den Kopf. »Nein, noch nie. Aber wir haben ein paar Mal einen Ausflug mit dem Regenbogen-Verein gemacht. Und einen Flohmarkt.«
    Ann Kathrin lächelte. »Ich war früher auf jeder Demonstration zum 1. Mai.«
    »Terroristen jagen?«
    »Nein. Mit meinem Vater. Meistens saß ich auf seiner Schulter.«
    Sylvia ließ die Spiegeleier aus der Pfanne auf das frische Toastbrot gleiten und nahm die große Pfeffermühle zur Hand. »Magst du es gerne scharf?«
    Ann Kathrin nickte. »Ja, gerne.« Sie liebte den Geruch von frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer. Selbst bei Erdbeeren benutzte sie manchmal die Pfeffermühle. Auch das hatte sie von ihrem Vater.
    Während sie die Eier aßen und Ann Kathrin mehrfach das gelungene Frühstück lobte und den guten Kaffee, erinnerte sie sich daran, wie das gewesen war, auf dem Rücken ihres Vaters den Demonstrationszug zu überblicken. Er war ein alter Gewerkschaftler. Sie hörte wieder seine Stimme, wie er ihr die Aufschriften der einzelnen Transparente vorlas. Sie hielt sich in seinen Haaren fest und bekam mindestens zwei Eis pro Demonstration. Ein bisschen davon tropfte immer auf seinen Kopf, und sie verrieb es in seinen Haaren. Er lachte darüber und nannte es
mein Shampoo
. Später kamen manchmal Wespen und umkreisten seinen Kopf. Dann nahm er sie von der Schulter, weil er Angst hatte, dass sie gestochen werden könnte.
    Wenn er jetzt noch leben würde, dachte sie, stünde er kurz vor seiner Pensionierung.
    Sie stellte sich vor, mit ihm am Frühstückstisch zu sitzen und diesen Fall zu

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