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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Name bekannt wäre. Ermutigt redete Orlando weiter. »Nach unseren Informationen hält er oder sie sich hier auf. Wir hätten also gern eure Hilfe dabei, Melchior zu finden.«
    Der Basissim, der die Menge beruhigt hatte, stand einen Augenblick lang regungslos da und macht dann eine Bewegung mit erhobener Hand. Mit einem Mal wurde die Welt schwarz.
    Orlando konnte nichts sehen, nichts hören, ganz als ob er abrupt in das Vakuum des Sternenlosen Weltraums geschleudert worden wäre. Er versuchte, die Hand auszustrecken und festzustellen, was ihm die Sicht blockierte, aber sein Sim reagierte nicht auf seine Gedanken.
    »Du bist hier vielleicht länger zu Gast, als du ursprünglich vorhattest«, murmelte eine Stimme in Orlandos Ohr, eine eindeutig drohende Stimme. »Du und dein Freund, ihr habt gerade einen sehr, sehr dummen Fehler gemacht.«
    Eingesperrt in der Dunkelheit tobte Orlando innerlich vor Zorn. Wir waren so dicht dran – so dicht! Mit dem deutlichen Gefühl, mehr vertan zu haben als nur eine Gelegenheit, zog er die Reißleine und beförderte sie schlagartig aus TreeHouse hinaus.

Kapitel
Der Einsiedlerkrebs
    NETFEED/WIRTSCHAFT:
    ANVAC meldet Rekordprofite
    (Bild: ANVAC-Unternehmenszentrale — nackte Wände)
    Off-Stimme: Die ANVAC Security Corporation gab die höchste Gewinnspanne der letzten fünfzig Jahre bekannt. Als Ursache für die sprunghaft gestiegenen Gewinne nennen Beobachter an der Züricher Börse das ständig wachsende weltweite Sicherheitsbedürfnis von Einzelpersonen wie von Unternehmen sowie ANVACs bahnbrechendes Sortiment »intelligenter« biologischer Waffen.
    (Bild: Vizepräsident von ANVAC, Gesicht und Stimme unkenntlich gemacht)
    VP: »Wir decken einen Bedarf. Die Welt ist voller Gefahren. Overkill? Überleg mal, was wärst du lieber: moralisch im Recht oder am Leben?«
     
     
    > Das elektronische Cottage des Einsiedlerkrebses – ElCot im Häckerslang – war das dürftigste seiner Art, das Renie je gesehen hatte. Obwohl ihm alle Herrlichkeiten der Virtualität zu Gebote standen, hatte er eine denkbar reizlose Behausung geschaffen: Mit ihrem winzigen Bett, ihrem schlecht auflösenden Wandbildschirm und jämmerlichen Blumen in einer Plastikvase auf einem Anstaltstisch sah sie ganz nach dem Zimmer eines alten Mannes in einem Pflegeheim aus. Sie zeichnete sich durch die gleiche eigenartige Mischung von real und irreal aus wie der Sim des Einsiedlerkrebses. Müde und niedergeschlagen fragte sich Renie, ob von diesem alten Mann tatsächlich irgendwelche Hilfe zu erwarten war.
    »Wollt ihr euch setzen?« fragte Singh. »Ich mach euch Stühle, wenn ihr wollt. Meine Güte, ich hab hier schon ewig niemand mehr zu Besuch gehabt.« Er ließ seinen Sim auf das Bett nieder, das sehr überzeugend knarrte, und auf einmal begriff Renie, warum der alte Häcker und sein Zimmer so merkwürdig lebensecht wirkten. Es war alles real. Er benutzte ein richtiges Echtzeitvideo von sich selbst als Sim; das Bett, auf dem er saß, der ganze Raum, alles war wahrscheinlich ebenfalls real, eine Projektion, umgewandelt in ein funktionales VR-Environment. Sie hatte das Gesicht und den Körper des Einsiedlers so vor Augen, wie sie genau in diesem Moment wirklich aussahen.
    Er erwiderte ihren Blick mit einem höhnischen Grinsen. »Ja, richtig geraten. Früher hatte ich auch mal alle Schikanen – schicker Sim, Hundertfünfzigtausend-Liter-Aquarium als Büro, mit Haien und Nixen drin –, aber ich hab’s satt gekriegt. Die paar Freunde, die ich hatte, wußten alle, daß ich ein nutzloser alter Penner war, also wem wollte ich was vormachen?«
    Renie hatte an Singhs Lebensphilosophie kein besonderes Interesse. »Hat Susan Van Bleeck dich nach einer goldenen Stadt gefragt? Und was hast du gemeint, als du sagtest, es wäre ›zu spät‹?«
    »Ich laß mich nicht hetzen, Mädel«, sagte der Einsiedlerkrebs ärgerlich.
    »Und ich laß mich nicht mädeln. Ich brauche Antworten, und zwar bald. Das hier ist kein Theaterkrimi, hier geht’s um mein Leben – wichtiger noch, um das Leben meines kleinen Bruders.«
    »Ich denke, Herr Singh ist durchaus bereit, mit uns zu reden, Renie.« Martines Stimme, die gleichzeitig von überall und nirgends herkam, hätte der Regisseurin vor der Bühne gehören können. Renie wollte keine Regieanweisungen entgegennehmen.
    »Martine, ich hab’s satt, ins Leere zu reden. Es ist ja bestimmt schrecklich unhöflich und so, aber würdest du dir bitte irgendeinen verdammten Körper zulegen, damit wir

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