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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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zuckte zusammen.
    Goram öffnete die Hände. »Immer wenn er aufwacht.«
    » Wacht er denn auf? Ich dachte … Lady Cattilara gab mir zu verstehen, dass er nie mehr aus seiner Ohnmacht erwacht ist, seit er niedergestochen wurde.«
    »Ah, Lady Catti«, sagte Goram und schnaubte. Ista war nicht sicher, ob es ein Kommentar sein sollte oder nur ein Naseputzen. »Aber er bleibt nicht wach, wisst Ihr? Er kommt fast jeden Tag kurz zu sich, so gegen Mittag. Wir versuchen dann immer, so viel Essen wie möglich in ihn reinzustopfen, solange er schlucken kann, ohne zu ersticken. Aber es reicht nicht. Er schwindet dahin, Ihr könnt’s ja sehen. Lady Catti hatte den schlauen Einfall, ihm Ziegenmilch zu geben, durch einem kleinen Lederschlauch. Das hilft ein bisschen, aber nicht genug. Er ist schon viel zu dünn. Mit jedem Tag wird er schwächer.«
    »Ist er bei Sinnen, wenn er wach wird?«
    Goram zuckte die Schultern. »Na ja …«
    Das war keine ermutigende Antwort. Aber wenn er überhaupt aufwachte, warum nicht jetzt, durch ihren Kuss, oder irgendwann sonst? Warum nur dann, wenn sein Bruder in diesem reglosen Schlaf lag … ihr Geist schreckte vor diesem Gedanken zurück. Goram fügte hinzu: »Manchmal spricht er vor sich hin. Manche würden sagen, er redet wirr.«
    Liss sagte: »Das ist unheimlich, findet Ihr nicht auch? Irgendwelche roknarische Hexerei?«
    Ista zuckte bei der Vorstellung zusammen. Diese Frage wollte ich nicht stellen. Ich wollte nicht einmal darauf aufmerksam machen. Ich möchte mit dem Unheimlichen nichts zu tun haben. »Hexerei ist in den Fürstentümern und auf den Inseln nicht erlaubt.« Nicht nur aus theologischen Gründen; auch in Chalion wurde es nicht gerade gefördert. Und doch, wenn jemand die Gelegenheit erhielt und hinreichend verzweifelt war, oder verworfen, oder überheblich … Ein ungebundener Dämon konnte einen Menschen des vierfältigen Glaubens genauso in Versuchung führen wie einen Quintarier. Vielleicht sogar noch mehr, weil ein Mensch vierfaltigen Glaubens, der sich einen Dämon zugezogen hatte, gefährliche Anschuldigungen götterlästerlicher Sünde riskierte, wenn er um die Hilfe der Kirche ersuchte.
    Goram zuckte wieder mit den Schultern. »Lady Catti meint, da war ein Gift an dem Dolch von den Roknari, weil die Wunde nicht richtig heilen will. Ich hab auch schon Gift gebraucht, für die Ratten in den Ställen, aber nie hab ich eins gesehen, das so eine Wirkung hatte.«
    Liss kniff die Augenbrauen zusammen und musterte die reglose Gestalt. »Steht Ihr schon lange in seinen Diensten?«
    »Drei Jahre schon.«
    »Als Knecht?«
    »Als Stallknecht, als Unteroffizier, als Bote, als Mädchen für alles, was immer. Jetzt als Pfleger. Den andern ist’s zu unheimlich. Die trauen sich nicht, ihn anzufassen. Bin der Einzige, der’s richtig macht.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite. Ihre gerunzelte Stirn glättete sich nicht. »Warum hast du sein Haar auf roknarische Weise gerichtet? Obwohl es ihm steht, wie ich zugeben muss.«
    »Er ging da rüber. Als Kundschafter vom Grafen. Er fiel da nicht auf, weil er die Sprache kannte – die Mutter von seinem Vater war Roknari, obwohl sie gelernt hat, zu den Fünfen zu beten. Das hat er mir mal erzählt.«
    Draußen waren Schritte zu hören, und Goram blickte ängstlich auf. Die Tür öffnete sich. Lady Cattilaras scharfe Stimme erklang: »Goram, was machst du denn da? Ich habe Stimmen gehört … oh. Ich bitte um Entschuldigung, Majestät.«
    Ista drehte sich um und verschränkte die Arme. Lady Cattilara machte einen Knicks, obwohl sie einen raschen, mürrischen Blick auf den Knecht warf. Über dem feinen Kleid, mit dem sie zum Abendessen erschienen war, trug sie jetzt eine Schürze, und hinter ihr kam eine Magd herein, die einen Krug mit Deckel bei sich trug. Als ihr Blick auf die höfischen Gewänder des Patienten fiel, weiteten sich ihre Augen. Sie stieß die Luft durch die Nase aus, ein erbostes Schnauben.
    Goram krümmte sich zusammen. Er blickte zu Boden und suchte Zuflucht in seinem unverständlichen Genuschel.
    Er war dermaßen zerknirscht, dass er Ista Leid tat; sie beschloss, ihm zu Hilfe zu kommen, um ihm Ärger zu ersparen. »Ihr müsst Goram entschuldigen«, warf sie ein. »Ich habe ihn gefragt, ob ich einen Blick auf Lord Illvin werfen darf, weil …« Ja, warum? Um zu sehen, ob er seinem Bruder ähnlich sieht? Nein, das klang zu schwach. Um zu sehen, ob er meinen Träumen ähnlich sieht? Das klang noch schlimmer. »Ich habe

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