Paladin der Seelen
an.
Illvins Augen wurden schmal, während seine Gedanken sich überschlugen. »Woher wisst Ihr das, Majestät?«
»Ich kann es sehen. Ich sehe seine Seele. Sie ist zerfetzt.«
Illvin blinzelte und ließ sich zurücksinken. Nach einer Weile fragte er zögernd: »Seht Ihr auch meine?«
»Ja. Für mich sieht sie aus wie ein gedämpftes weißes Feuer, das von Eurem Herzen aus zu Eurem Bruder strömt. Seine Seele ist so grau wie die eines Geistes; sie zerfällt bereits und bleicht aus. Sie ist in seinem Körper, aber nicht mehr damit verbunden. Sie … schwebt bloß mit ihm mit. Liss’ Seele hingegen ist hell und farbenfroh, genau in ihrer Mitte, sehr dicht und fest in die Materie eingeschlossen, von der sie ausgeht.«
Liss war offenbar der Meinung, soeben ein Kompliment bekommen zu haben, und lächelte erfreut.
Nach kurzem nachdenklichem Schweigen sagte Illvin: »Das muss sehr verwirrend für Euch sein.«
»Ja«, entgegnete Ista kurz angebunden.
Er räusperte sich. »Wollt Ihr behaupten, Goram war ein Zauberer?«
In entsetztem Unverständnis schüttelte Goram den Kopf. »War ich nie, Herrin!«
»Woran kannst du dich erinnern, Goram?«, wollte Ista wissen.
In seinem zerfurchten Gesicht arbeitete es. »Ich weiß noch, ich war mit König Oricos Heer gezogen. Ich erinnere mich an die königlichen Zelte, ganz in roter und goldener Seide. Sie schimmerten im Sonnenlicht. Ich erinnere mich … wie ich als Gefangener marschiere, in Ketten. Ich arbeite … auf Feldern. Es ist heiß in der Sonne …«
»Wer waren deine roknarischen Herren?«
Er schüttelte den Kopf. »An die erinnere ich mich nicht, nicht so genau.«
»Schiffe? Warst du jemals auf Schiffen?«
»Glaub ich nicht. Pferde, ja. Pferde waren da.«
Illvin warf ein: »Wir haben uns früher schon darüber unterhalten, woran er sich noch erinnern kann, als ich versucht habe, etwas über seine Familie herauszufinden. Er muss schon mehrere Jahre in Gefangenschaft zugebracht haben, seit der Zeit, als der Fürst von Borasnen zum ersten Mal gen Gotorget marschiert ist. Zwei Jahre, bevor die Festung schließlich fiel. Goram konnte sich noch an bestimmte Einzelheiten erinnern, und daraus habe ich geschlossen, dass er an diesem Feldzug teilgenommen hatte. Aber er erinnert sich auch nicht mehr genau an die Zeit seiner Gefangenschaft. Deshalb nahm ich an, dass sein Gedächtnis möglicherweise einem Fieber zum Opfer gefallen war, vielleicht, kurz bevor ich auf ihn stieß.«
»Goram, erinnerst du dich noch, was mit dir geschehen ist, seit Lord Illvin dich ausgelöst hat?«, fragte Ista.
»O ja. Das tut nicht weh.«
»Erinnerst du dich überhaupt an irgendetwas aus der Zeit, bevor Lord Illvin dich losgekauft hat?«
Goram schüttelte den Kopf. »Da war ein dunkler Ort. Ich mochte ihn, weil es kühl war. Aber es stank.«
»Verstand und Erinnerung sind verzehrt, der Dämon ist fort, und doch … nicht tot«, sagte Ista grübelnd. »Es ist nicht leicht für einen Dämon, einen lebenden Wirt zu verlassen, habe ich dy Cabons Worten entnommen. Dämon und Wirt sind auf irgendeine Weise miteinander verstrickt. Tötet man den Menschen, zwingt man den Dämon heraus. Wie bei Umerue. Oder bei den Verbrennungen der Roknari.«
»Verbrennt mich nicht!«, jammerte Goram. Er machte sich noch kleiner, kauerte sich zusammen und starrte bestürzt auf seine Brust.
»Niemand wird dich verbrennen«, sagte Illvin beruhigend. »Nicht in Chalion. Und es besteht jetzt ohnehin keine Veranlassung, denn sie sagt ja, dass der Dämon dich verlassen hat. Er ist ganz und gar fort. Nicht wahr?« Er warf Ista einen auffordernden Blick zu.
»Vollkommen.« Und ein Großteil von Goram mit ihm, wie es schien. Ista fragte sich, ob er früher tatsächlich ein Diener gewesen war – oder mehr.
»Hamavik …«, murmelte Illvin. »Wie aufschlussreich. Sowohl Goram wie auch Prinzessin Umerue waren zur selben Zeit an diesem Ort. Kann dieser … Schaden an Goram Seele etwas mit Umerues Dämon zu tun haben?«
Es war verlockend, da einen Zusammenhang zu sehen, andererseits … »Cattis Dämon fühlte sich nicht so an, als hätte er sich an Kriegern gütlich getan. Er fühlte sich an … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Zu weiblich. Wir können noch einmal versuchen, ihn zu befragen.«
Ista fiel auf, dass Liss sehr beunruhigt aussah. Erblickte sie in Gorams schlaffem, furchtsamem, verwirrtem Gesicht das zukünftige Schicksal von Foix? Wo war der Junge? Ista war noch nicht so verzweifelt, dass sie
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