Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
und gemütliche Quilts genäht und wo es nur sie beide gegeben hatte. Er hasste Edward Douglas Walsh, und er begann, auch den kleinen Rodney, Eddys Brut, zu hassen. Letzteres erwies sich jedoch als schwierig. Denn der Kleine wuchs heran und steckte voller Bewunderung und Hingabe für seinen großen Bruder. Er hing ihm ständig am Rockzipfel. „T.J. spielst du mit mir? T.J. gehen wir spazi e ren? Du bist der beste Bruder auf der ganzen Welt, T.J. Ich hab dich lieb.“ So ging es andauernd.
„Halt den Mund, Nervzwerg!“, antwortete Tyler mürrisch.
Am besten waren noch die Tage, an denen Eddy seinen vierundzwanzig Stunden Dienst bei der Feuerwehr leistete. Wenn es nach Tyler ging, konnte es in Jonesville gar nicht genug Brandstifter geben. Für zwei T a ge musste sein Stiefvater wegen einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Leider eine viel zu kurze Zeit.
Maureen trank wieder regelmäßig und ihr Ehemann sorgte dafür, dass immer Alkohol im Haus war. Tyler durchkämmte mehrmals in der Woche systematisch jedes Zimmer nach Spirituosen und goss dann den I n halt der Flaschen in die Toilette. Eddy verachtete die Labilität seiner Frau und ließ seine Wut darüber an ihr aus. Er schlug so heftig zu, dass Maureen oft das Bewusstsein verlor. Die laute Musik im Schlafzimmer verschluckte ihre Schreie.
Mit der Zeit verschlechterten sich Tylers Schulnoten. Dies geschah zunächst schleichend, wenn auch kontinuierlich. Es war jedoch die einzige Möglichkeit des Jungen, um auf sich aufmerksam zu machen: durch das Absinken seiner Lernleistung und die Verwandlung von einem ne t ten, aufgeschlossenen Schüler, in einen schlechtgelaunten, sogar rotzfr e chen Jugendlichen, mit einer deutlichen Tendenz zu Aggressivität. Seine Klassenkameraden mieden ihn, und seine Lehrer schienen oftmals ratlos. Eigentlich hatte Tyler nichts gegen die Schule an sich einzuwenden, dort war er immerhin tausendmal sicherer als Zuhause. Wenn sein Körper von Zeit zu Zeit allzu starke Blessuren aufwies, schwänzte er kurzerhand den Sportunterricht. Sein einziges Ventil war die Musik. Doch Eddy, der sich einen starken Besitzanspruch auf den Jungen einbildete, war genau darauf eifersüchtig. Er wollte die gleiche Leidenschaft, die Tyler der Musik entgegen brachte, für sich selbst beanspruchen. Da Tyler dies nicht freiwillig tat, verbot Eddy ihm bereits bei dem kleinsten Vergehen, zum Musikunterricht am Nachmittag zu gehen, oder schloss für Tage, manchmal sogar Wochen, die Gitarre weg. Der kleine Rodney, dem nicht entging, wie sein Bruder deswegen zumeist heimlich in Tränen ausbrach, versuchte Tyler zu trösten. „Wollen wir weglaufen, T.J.? Ich komme mit dir.“
Das hätte Tyler zweifellos zu gern getan, doch er brachte es nicht über sich, seine Mutter hier zurück zu lassen.
Maureen hatte längst erraten, was ihr Ehemann mit ihrem Ältesten trieb. Auf den ersten Schock, der darauf folgte, hatte sie versucht zu fliehen. Eddy hatte es noch jedes Mal heraus bekommen und ihr gedroht, sie in eine Anstalt zu stecken. Ihre Kinder, das ahnte sie, würde sie dann nie wieder zu Gesicht bekommen.
Einige Male landete Tyler in der Notaufnahme. Wenn Maureen sich ihrem Mann nicht entgegen geworfen hätte, wäre dem Jungen noch wesentlich Schlimmeres angetan worden.
„Es tut mir leid, mein Schatz. Es tut mir so leid“, schluchzte seine Mutter in den seltenen Augenblicken, die sie für sich hatten. „Wenn er mich schlägt, dann denke ich an dich, ganz fest, und ich schließe meine Augen, um dir ganz nah zu sein. Vergiss niemals, egal, wie schlimm es noch kommt, dass ich dich immer lieben werde. Ich wünschte, ich könnte mit dem Trinken aufhören. Doch ich schaffe es nicht, ich schaff´s einfach nicht.“
Rodney begann langsam zu verstehen und wurde ein stilles Kind, das alles und jeden argwöhnisch beobachtete. Er lotete die kleinsten Anzeichen von Gereiztheit und schlechter Stimmung aus und zog sich dann s o fort zurück. Wenn seine Mom oder Tyler verprügelt wurden, lag er oft stundenlang zitternd unter seiner Decke und nässte ein. In der Schule nahm Rodney an fast allen fakultativen Kursen teil. Auf diese Art konnte er so lange wie möglich seinem Zuhause fernbleiben. Obwohl er an den Nachmittagen mit vielen Mitschülern zusammen war, blieb er doch ein Einzelgänger. Nur in Gegenwart seines großen Bruders konnte er wir k lich er selbst sein. Auch wenn Tyler oft so tat, als würde er ihm auf die Nerven gehen. Mit dem ihm verbliebenen Rest all seiner
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