Pandablues: Roman (German Edition)
Die freiberufliche, super-selbstständige, fast-feministische, willensstarke Anti-Mainstream-Mona zog zu ihrem Lover und seiner Mutter in deren Haus. Das musste ich erst mal verdauen. Besonders angesichts meiner eigenen Eric-Misere.
»Irgendwie sprunghaft, ihr Mädels«, sagte Trine und sah mich an.
»Wie meinst du das denn jetzt?«, wollte ich wissen.
»Na, die, die auf Familie machen sollte, rennt davor weg, und die, die nie eine wollte, kriegt jetzt Mann und Mutter auf einmal.« Kopfschüttelnd schob sie sich ein Schnittchen quer in den Mund.
Bitte? Hatte ich richtig gehört? Wieso sollte ich jetzt plötzlich auf Familie machen?
»Immerhin bist du schon fast Mitte dreißig«, sagte Trine kauend und erriet meine Gedanken.
»Einunddreißig ist nicht Mitte dreißig!«, verteidigte ich mich. »Das ist noch ganz schön jung! Blutjung geradezu!«
»Kommt drauf an, wie man es sieht. Ich sag nur Risiko-Schwangerschaft !«
Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr , dachte ich und nahm mir seufzend das letzte Schnittchen vom Teller.
10. Kapitel
Das große Kindergartenweihnachtsfest stand an, und wir Erwachsenen waren aufgeregter als Finn. Es waren extra alle gekommen, um Finns großen Moment live mitzuerleben – es könnte immerhin der Auftakt einer großen Schauspielkarriere sein. Mona hatte Maklernorbi und Hermine mitgebracht, die Elmo vor Verzückung beinahe die Wangen eindrückte.
Paul hatte ihn extra aus dem Ergobaby Carier geholt, sodass er seinem großen Bruder zusehen konnte, und Trine und ich waren quasi zu Übermüttern mutiert. Zitternd saßen wir in der ersten Reihe. Eigentlich war die nur den Eltern der Kinder mit Sprechrollen vorbehalten, aber Trine hatte die Kindergartenleitung innerhalb kürzester Zeit überzeugt, dass Finns indirekte Sprechrolle von hoher Tragweite und Bedeutung für das Stück sei, und so hatten wir Spitzenplätze bekommen.
Hermine sah wirklich gut aus für ihr Alter; sie erinnerte mich ein wenig an Christiane Hörbiger, sehr stilvoll und höflich.
»Von Ihnen hab ich auch schon eine Menge gehört«, sagte sie süffisant lächelnd, als wir uns zur Begrüßung die Hand gaben.
Ich sah Mona strafend an.
»Und ich erst von Ihnen!«, gab ich es Mona zurück, die sich auf die Lippen biss.
Finn war inzwischen kaum mehr ansprechbar, denn er war hochkonzentriert und physisch wie psychisch im besten Kafka’schen Sinne zu einem Teebeutel geworden. Nichts hielt ihn von der totalen Verwandlung ab. Er war ein Earl Grey.
»Es wird ihm guttun, mal wieder im Mittelpunkt zu stehen«, sagte Trine mit einem besorgten Unterton. »Seit Elmo auf der Welt ist, hat Finn sich sehr zurückgezogen. Am Anfang war er lauter als je zuvor, und jetzt hört man kaum etwas von ihm.«
Ich fand diesen Zustand eigentlich erfreulich.
Wieso sollte man daran etwas ändern?
»Ich glaube, er ist eifersüchtig auf Elmo«, erklärte Trine weiter. »Entthronungstrauma. Immerhin war er ja jahrelang quasi ein Einzelkind.«
Das stimmte wohl. Als mein erster Bruder Tom geboren wurde, tobte ich, laut Renate, wild vor Eifersucht herum und schmiss die neue Babypuppe, die ich trotz Renates Widerwillen gegen mainstreamgebeutelte geschlechtsspezifische Erziehung als Wiedergutmachung erhalten hatte, in die nächste Ecke. Es gab wohl auch noch weitere Erlebnisse dieser Art, wie das Loslassen des Kinderwagens auf einem doch recht steilen Hügel – mit meinem Bruder darin. Tom überlebte schließlich alles irgendwie, und ich fand mich irgendwann mit meinem Brüderchen ab. Es hatte ja auch Vorteile, die Schuld abschieben zu können. Vor allem, wenn der komplette Weihnachtsbaumschmuck aus Schokoladenzapfen auf einmal verschwunden war und am nächsten Tag in Form von leeren Verpackungshüllen wieder auftauchte. Als dann der zweite Bruder kam, Till, ging das Ganze zwar wieder von vorne los, allerdings in weitaus abgemildeter Form. Ich wollte ihn nur ein einziges Mal auf dem Flohmarkt verkaufen, und eine nette türkische Großfamilie schien ernsthaft interessiert. Leider kam es nicht so weit; Renate intervenierte in letzter Sekunde.
»Ich bin ja auch noch da«, beruhigte ich Trine.
»Das ist gut zu hören, Charly. Du glaubst es nicht, was Finn gestern mit Elmo angestellt hat. Erst spielte er brav, und dann wurde es plötzlich ganz still.«
Ich kannte diese gefährliche Stille bei Finn.
»Und was war?«, fragte ich vorsichtig.
»Erst fand ich Finn nicht, und dann war Elmo auch noch aus seiner Wiege
Weitere Kostenlose Bücher