Panther
sich Notizen. Als sie zum ersten Mal Rast machten, standen auf ihrer Artenliste bereits Teichapfel, Würgefeige, Lorbeereiche, Wachsmyrte, Sägepalme, wilder Kaffee und Auferstehungsfarn.
Die Tierwelt hingegen machte sich rar. Mr. Neal entdeckte weit oben in einer Astbiegung einen Streifenkauz und später eine Rotbauchschildkröte beim Sonnenbad auf einem moosbewachsenen Stamm. Graham schrie auf, als er eine Bandnatter für eine giftige Wassermokassinschlange hielt. Marta und zwei andere Mädchen verfingen sich kurz in einem zeltgroßen Spinnennetz, während ein Junge namens Mickey Maris eine Echse fing, eine Rotkehlanolis, die er aber auf Anweisung von Mr. Neal sofort wieder freilassen musste.
Nick, der überall nach dem Pfotenabdruck eines Panthers suchte, stieß auf frische Wildschweinspuren, aber das war auch schon alles. Von Zeit zu Zeit hörte er die anderen Schülergruppen, die sich in einiger Entfernung von ihnen durch die Marschen bewegten. Einmal war er sich ganz sicher, die Stimme von Mrs. Stark zu erkennen, die laut jubelte: »Wir sind hier im Bromelienhimmel!«
Mittags ließ sich Mr. Neals Gruppe zu einem Picknick unter einer krummen Zypresse nieder, die schätzungsweise fünfhundert Jahre alt war. Nick und Marta aßen ihre Sandwichs und teilten sich eine Flasche Gatorade, die Nicks Mutter ihm in eine gepolsterte Kühltasche gepackt hatte.
Mr. Neal hatte eine Frage an die ganze Gruppe: »Kann mir jemand sagen, wieso wir nicht von Moskitos gestochen werden?«
Grahams Hand schoss in die Luft. Als Mr. Neal ihn aufrief, sah Graham allerdings völlig entgeistert aus.
»Weil …«, begann er. »Weil …«
»Ja, Graham?«
»Wegen …«
»Ja? Weiter?«
»Wegen … wegen …« Graham zuckte resigniert mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
Mr. Neal zeigte auf eine Schülerin: »Rachel?«
»Weil das Wetter zu trocken war für Insekten«, sagte Rachel.
»Eine gute Theorie«, sagte der Lehrer, »aber es ist trotzdem noch immer genug Wasser da, in das diese kleinen Quälgeister ihre Eier ablegen können. Nick, was würdest du vermuten?«
Nick hatte an seinen Vater gedacht und nicht aufgepasst. Erst als Marta ihn mit dem Ellbogen anstieß, blickte er verwirrt auf und sagte: »Wie? Ich hab die Frage gerade nicht verstanden.«
»Wieso werden wir nicht von Moskitos aufgefressen?«, fragte Mr. Neal mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme.
Marta beschloss, sich bei Nick für den Gefallen in der letzten Biostunde zu revanchieren. »Weil die Moskitofische alle Moskitobabys auffressen«, sagte sie unaufgefordert.
»Ausgezeichnet!« Mr. Neal schien erleichtert, dass doch noch jemand die richtige Antwort gewusst hatte.
»Jetzt habe ich aber eine Frage«, sagte Marta. »Wieso heißt das Gebiet hier Schwarzrankensümpfe, wenn alle Ranken, die wir sehen, grün sind?«
Graham wollte schon wieder den Arm heben, und einige Schüler stöhnten auf. Mr. Neal sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Frage beantworten kann. Hat jemand eine Theorie?«
Im selben Moment ertönte ein schriller Schrei zwischen den hohen Zypressen. Er klang nicht wie ein menschlicher Laut.
Mr. Neal war ebenso erschrocken wie die Schüler, auch wenn er sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen. Er legte einen Finger auf die Lippen zum Zeichen, dass alle still sein sollten. Ein Specht, der die ganze Zeit auf einen abgestorbenen Baumstumpf eingehämmert hatte, hörte abrupt damit auf und flog davon.
Einige Schüler machten ängstliche Mienen, aber Nick war ganz aufgeregt. Er war sich ziemlich sicher, welches Tier sie da eben gehört hatten, und packte schnell seine Videokamera aus. Er brauchte ein bisschen, bis er die Record-Taste gefunden hatte, doch dann richtete er das Objektiv auf den Teil des Waldes, aus dem sie den wilden Schrei gehört hatten. Wegen der dunklen Schatten im Wald war es alles andere als einfach, im Sucher irgendwelche Details zu erkennen; zudem zitterten Nicks Hände leicht. Marta trat dicht neben ihn und spähte ihm über die Schulter.
»Siehst du das? Siehst du’s?« Sie zeigte auf das Display.
Etwas rannte zwischen den Bäumen hindurch – eine große, hellbraune, verschwommene Gestalt.
»Was war das?«, fragte Marta. »Wo ist es jetzt hin?«
»Warte«, sagte Nick, aber dann rührte sich nichts mehr.
Wenige Augenblicke später hörten die Schüler ein Platschen, gefolgt von erst lautem, dann immer leiser werdendem Rascheln.
Keiner der Jugendlichen gab einen Pieps von sich, bis Mr. Neal
Weitere Kostenlose Bücher