Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Panther

Panther

Titel: Panther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
Vom Netzwerk:
Marta einen Termin bei ihrer Kieferorthopädin, und so ging Nick allein von der Haltestelle nach Hause. Seine Turnschuhe machten bei jedem Schritt ein quatschendes Geräusch. Gleich bei der Haustür streifte er sie ab und rannte zum Rechner, um nach E-Mails zu sehen.
    Nichts.
    Nicks Vater gehörte zur 53. Infanteriebrigade der Nationalgarde von Florida, die sich selbst die Gator Brigade nannte und eine eigene Website besaß. Wann immer ein Soldat im Kampf getötet wurde, erschien dort ein Nachruf auf ihn. Mit angehaltenem Atem ging Nick auf die Homepage.
    Dort war ein Reservist zu sehen, der bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen war, als er in der Nähe von Bagdad zu Fuß auf Patrouille war. Es war nicht Nicks Vater, aber Nick las den Nachruf trotzdem aufmerksam. Der Soldat war dreißig Jahre alt gewesen. Er hatte in Tampa gelebt und hinterließ eine Frau und zwei kleine Kinder. Das Foto zeigte den Mann in seiner frisch gebügelten Armeeuniform vor der amerikanischen Fahne. So stark und zuversichtlich sah er aus, dass man fast nicht glauben konnte, dass er jetzt tot sein sollte.
    Nick schluckte heftig, um nicht weinen zu müssen. Er schloss die Website der Nationalgarde und wechselte auf YouTube, um sich witzige Videos anzusehen. Er sah es als seine wichtigste Aufgabe an, seine Mutter aufzumuntern, und so wollte er nicht, dass sie auf einmal in der Tür stand und ihn mit Tränen in den Augen sah.
    Als sie nach Hause kam, ging es ihm auch wieder besser. Er hatte den Akku der Kamera aufgeladen und wollte sich gerade die Aufnahmen aus den Schwarzrankensümpfen ansehen.
    »Wie war eure Exkursion?«, fragte seine Mom.
    Nick erzählte vom Buschfeuer.
    »Gott sei Dank ist niemand verletzt worden«, sagte sie. »Wie ist das Feuer denn ausgebrochen?«
    Nick zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Es ist Trockenzeit – da kommt so was dauernd vor.«
    »Also, auf jeden Fall war dein Tag aufregender als meiner.«
    Sie nahm mehrere Frischhaltedosen aus dem Kühlschrank und kündigte an, sie würde zum Abendessen einen griechischen Salat machen, zum Kochen sei sie zu müde.
    »Etwas Cooles ist immerhin passiert: Ich glaube, ich habe im Wald einen Panther gesehen«, sagte Nick. »Ich hab ihn gefilmt – willst du ihn sehen?«
    Seine Mom setzte sich aufs Sofa, und Nick schloss die Kamera ans Fernsehgerät an. »Du musst aber genau hinsehen. Die Stelle ist ganz kurz und ein bisschen verwackelt«, sagte er. Er drückte auf Wiedergabe, und ein Zypressenwäldchen kam ins Bild. Die Aufnahme war zwar tatsächlich etwas unscharf, aber auf dem Bildschirm war die Szene doch deutlicher zu sehen als in dem kleinen Display der Kamera.
    »Da!«, schrie Nick, als die bräunliche Gestalt zwischen den Bäumen auftauchte.
    Einige Augenblicke lang blieb das Bild unverändert, dann war gar nichts mehr zu sehen.
    »Das war’s schon?«, fragte Nicks Mutter.
    Nick spulte zurück. »Komm, wir sehen es uns noch mal an.«
    Von Anfang bis Ende dauerte die Szene nicht mehr als fünfzehn Sekunden. Als das Tier ins Bild kam, drückte Nick auf Pause.
    »Also, Schätzchen, wenn das ein Panther ist, dann sieht er ausgesprochen merkwürdig aus«, bemerkte seine Mutter.
    Weil sich das Tier schräg zur Kamera bewegte, war der Kopf nur halb zu sehen. Der Körper sah nicht so lang und stromlinienförmig aus wie bei Panthern üblich, sondern eher eckig und aufrecht.
    »Vielleicht ein wilder Eber«, schlug Nicks Mutter vor.
    »Falsche Farbe. Außerdem haben wir einen Schrei gehört, der sich eindeutig so anhörte wie der einer Großkatze. Ich schwör’s.« Nick spielte das Band in Zeitlupe ab, spulte noch einmal zurück, spielte wieder ab.
    Wo ist der Schwanz?, dachte er missmutig. Panther haben einen langen Schwanz mit einer schwarzen Spitze.
    »Stopp mal, genau hier!« Nicks Mutter sprang vom Sofa auf. »Okay, und jetzt zoom es mal ran. Zoom!«
    »Zoomen geht hier nicht. Nur normales Abspielen. Nicht wie bei Photoshop.«
    »Dann schau einfach genau hin!« Sie ging zum Fernseher und zeigte auf ein dunkles Band um die Mitte des Tiers. »Siehst du das?«
    Nick sah es sehr wohl. »Ich glaub’s nicht«, sagte er.
    Seine Mom grinste. »Du hast dir ’nen Bären aufbinden lassen.«
    »Du meinst einen Panther.«
    »Wie auch immer. Dieser ›Panther‹ hat jedenfalls einen Gürtel um.«
     
    Dr. Dressler blieb an diesem Tag länger als sonst in der Schule. Miss Moffitt und Mr. Neal saßen bei ihm im Büro und berichteten, was während der Exkursion geschehen war.

Weitere Kostenlose Bücher