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Panther

Panther

Titel: Panther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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verstand.
    Und so war es auch.
    Nick war die Kiefer gerade zur Hälfte hochgeklettert und befand sich wenigstens zehn Meter über der Erde, als er sie plötzlich rufen hörte: »Stehen bleiben oder ich schieße! Bleiben Sie sofort stehen!«
    Beunruhigt verrenkte Nick den Hals, um zu sehen, was unten los war. Dabei verlagerte er sein Gewicht, der Ast, auf dem er stand, brach, und Nick stürzte mit den Füßen zuerst senkrecht hinab, wie in einem ungebremst in die Tiefe rasenden Aufzug.
    Und dann geschah es, im Bruchteil einer einzigen, schwindelerregenden Sekunde. Mit dem rechten Ärmel blieb Nick an etwas hängen – vermutlich dem nächsten abgebrochenen Ast –, irgendetwas krachte hörbar, und ihm wurde ganz anders. Ein wahnsinniger Schmerz schoss ihm vom Handgelenk ins Gehirn, und eine eisige schwarze Welle brach sich über ihm.
    Es kam ihm vor, als würde er wie ein Zirkusakrobat langsam durch die Luft schwingen. Als er die Augen wieder aufmachte, begriff er, dass er an einem gebrochenen Arm baumelte und gleich das Bewusstsein verlieren würde. Seine Brust brannte wie von glühenden Nadeln – der kleine Panther klammerte sich an ihn und grub die Krallen in Nicks Haut.
    »Er ist weg!«, jubelte Marta triumphierend unter dem Baum. »Abgehauen!«
    »Wer?«, fragte Nick mit belegter Stimme.
    »Irgend so ein bandagierter Typ. Ich hab ihn in die Flucht gejagt!«
    Dann sah sie am Baum hoch und entdeckte Nick, der da an einem Ärmel hin- und herschwang. »Sag mal, was treibst du denn da?«
    »Rate mal.«
    »Du fällst gleich runter und brichst dir den Hals!«
    Der Gedanke war Nick auch schon gekommen. Mit dem guten Arm – dem, den er seit zwei Wochen trainiert und gekräftigt hatte – griff er nach dem Ast, an dem er baumelte …
    Und zog sich langsam daran hoch.
    Zog sich mit aller Kraft hoch.
    Zog sich hoch, obwohl er die furchtbarsten Schmerzen seines Lebens hatte, sogar die furchtbarsten, die er sich je hätte träumen lassen.
    Zog sich hoch, während ein wildes, völlig verängstigtes Pantherjunges ihm schreiend und spuckend Krallen wie Kaktusstacheln in die Brust bohrte.
    Zog und zog, bis er einen einhändigen Klimmzug geschafft hatte. Kleinigkeit!
    Es gelang ihm, so lange in dieser mörderischen Haltung zu bleiben, bis er mit den Zähnen seinen Ärmel vom Ast lösen konnte. Der gebrochene Arm hing nutzlos zur Seite, der Ellbogen war merkwürdig abgewinkelt.
    Wie durch ein mittleres Wunder fanden seine Fußspitzen gleich darauf einen Halt, den Eingang einer verlassenen, etwa baseballgroßen Spechthöhle in einem verwitterten Astknoten.
    »Ich komm rauf!«, rief Marta.
    »Nein!«, rief Nick zurück.
    Soeben machte sich nämlich das Pantherweibchen an den Abstieg.
    Nick sah die Silhouette der näher kommenden Gestalt im Nebel. Das Tier wog locker seine fünfzig Kilo, und doch sprang es von Ast zu Ast, als wäre es leicht wie ein Spatz.
    Nick konnte nur die Luft anhalten und warten, dass die Schreie des Kleinen die große Katze herbeilockten. Vermutlich hätte er Angst verspüren sollen, doch stattdessen fühlte er sich seltsam gelassen. Wie hypnotisiert beobachtete er die elegante, geschmeidige Gestalt der Panthermutter, die gespenstisch näher kam. Nick hatte in Büchern und Zeitschriften schon viele Fotos von Panthern gesehen, und doch war er jetzt völlig verwundert. Wie im Traum fühlte er sich. Sein gebrochener Arm tat ihm kaum noch weh, und Nick fragte sich, ob er sich womöglich im Schockzustand befand und deshalb nichts spürte.
    Das Pantherweibchen war jetzt nur noch wenige Meter entfernt. Es hatte sich auf einem schweren, verzweigten Ast niedergelassen, witternd, die Ohren flach angelegt, die wild funkelnden Augen eindringlich auf das lautstarke Knäuel gerichtet, das sich in Nicks Hemd krallte. Bestimmt, dachte Nick, fragt sich die Mutter, wieso da nur ein einziges Junges weint und was mit ihrem anderen passiert sein mag.
    Nick hörte das dunkle Grollen, das einem Knurren vorausging. Es konnte unmöglich von diesem Winzling in seinem Arm kommen, und so wusste er, dass es Zeit für ihn wurde.
    Obwohl er sich mit den Fußspitzen fest in den Eingang der Spechthöhle stemmte, wankte und schwankte er doch, als er sich nach Kräften bemühte, das verängstigte Pantherkind von seinem Hemd loszumachen. Das Kleine schrie jetzt lauthals und war offensichtlich völlig verängstigt, und Nick befürchtete, dass sich die Mutter jeden Moment auf ihn stürzen würde, um ihren Nachwuchs zu verteidigen.
    Marta hatte

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