Paraforce Band 8 - Der Schlag eines Herzens
letzte noch funktionstüchtige Laterne ihren spärlichen Schein aussandte.
Ohne zu zögern, verließ er diese letzte Insel aus Licht und tauchte in die Finsternis ein, von der die alten Weiber oft berichtet hatten, sie wäre ein Raubtier, welches Kadesti wie seine Beute belagerte.
Immer noch drehten sich Vasiles Gedanken um Bogdan, dessen Einsamkeit und die Überlegungen, wie es ihm vielleicht gelingen könnte, wieder ein wenig mehr Freude und Abwechslung in das Leben seines Chefs zu bringen.
Natürlich war Bogdan erwachsen und konnte selbst darüber entscheiden, wie er sein Leben verbringen wollte, aber Vasile war fest entschlossen, sich in Zukunft etwas mehr Zeit für seinen Chef und väterlichen Freund zu nehmen.
Irgendwann blieb er stehen und blickte in die Dunkelheit hinaus. Vor ihm lag eines der Felder des alten Grilescu. Sein Blick reichte bei der schwachen Beleuchtung, die an dieser Stelle herrschte, nicht einmal bis zur Mitte des Feldes. Was dahinter lag, war von tiefer Schwärze verborgen.
Vasile war in Kadesti aufgewachsen und hatte immer hier gelebt, abgesehen von fünf Jahren, in denen er beim Militär gewesen war.
Der Ort und seine Umgebung, vor allem das ausgedehnte Waldgebiet, das Kadesti von Osten und Norden her umgab, waren ihm nur allzu vertraut.
Trotzdem überkam ihn in diesem Moment ein Schauder, der nichts mit dem schneidenden Wind zu tun hatte, welcher eisig durch den dicken Stoff seines Mantels fuhr.
Irgendwo vor ihm, jenseits seiner Sichtweite, lagen die Ausläufer des Gebirges. Direkt daran grenzte ein kleines Tal, das von hohen Nadelbäumen erfüllt war und durch das eine einzelne schmale Straße in Richtung Grenze führte.
Obwohl die Straße verhältnismäßig gut ausgebaut war und wesentlich schneller durch diesen Abschnitt der Karpaten führte, wurde sie bereits seit über 70 Jahren nicht mehr benutzt. Die Menschen in Kadesti und den umliegenden Dörfern fürchteten sich davor und machten um das Gebiet einen weiten Bogen. Noch heute munkelten die Älteren im Dorf, dass sich dort schreckliche und unheimliche Dinge abgespielt hätten.
Die alte Mascha hatte vor einigen Tagen allerdings behauptet, sie hätte ein Auto gesehen, das direkt an Kadesti vorbei in Richtung des Tals gefahren sei. Niemand hatte der redseligen Alten so recht glauben wollen. Sie habe sich das alles nur eingebildet, wurde seitdem im Dorf behauptet. Mit 86 Jahren konnte es schon vorkommen, dass man Dinge sah, die gar nicht da waren.
Vasile war weder furchtsam noch abergläubisch, aber selbst ihm wäre es nie in den Sinn gekommen, sich in jenes Tal zu begeben. Und deshalb glaubte er der alten Mascha auch nicht.
»Schon merkwürdig«, murmelte er.
Er kramte in seinen Manteltaschen herum und suchte seine Zigaretten. Bevor er nach Hause ging, wollte er noch eine letzte Zigarette rauchen. Sonja hatte ihre Wohnung nach der Geburt Janoschs zur rauchfreien Zone erklärt, was auch völlig in Ordnung war.
»Wo sind denn diese Scheißdinger?«, schimpfte er, als er nicht sofort fündig wurde.
Seine klammen Finger stießen endlich auf das silberne Etui, das seine Frau ihm im letzten Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Vasile grinste zufrieden, öffnete es und zog einen der Sargnägel hervor. Sein Blick wanderte wieder in die Dunkelheit.
Plötzlich erstarrte er mitten in der Bewegung.
Im Dunkel jenseits des Feldes vermeinte Vasile eine huschende, blitzschnelle Bewegung wahrgenommen zu haben. Er kniff die Lider stärker zusammen in der Hoffnung, so deutlicher sehen zu können. Die Bewegung wiederholte sich nicht.
»Du brauchst dringend Schlaf, Vasile. Du fängst schon an Trugbilder zu ...«
Weiter kam Vasile nicht.
Blitzartig schloss sich etwas kraftvoll um seinen rechten Fußknöchel. Er konnte zwar den Mund noch aufreißen, doch wollte sich kein Schrei daraus lösen. Ein harter Ruck schleuderte ihn zurück. Vasile schlug mit dem Kopf auf dem hart gefrorenen Boden auf. Funken blitzten vor seinen Augen und er spürte, wie eine mörderische Kraft an ihm zerrte. Sein Körper wurde herumgeschleudert und er kam auf dem Bauch zu liegen. Ein glühendes Messer schien durch seine Eingeweide zu stechen.
Vasile ächzte leise, schmeckte Blut auf seiner Zunge und wollte es ausspucken, doch dazu kam er nicht.
Das, was seinen Knöchel umfasst hielt, riss erneut an ihm. Dieses Mal noch stärker und andauernder als zuvor. Ein gnadenloser Schmerz füllte ihn aus. Panik fuhr durch seine Glieder.
Vasile versuchte, sich an
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