Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
heraus, wie ein Magnet von dem Transitzug angezogen, der noch immer über die Schienen rollte. Wenn ich jetzt Gas wegnahm, würde der Helikopter mich erwischen. Tat ich es nicht, würde ich mit voller Wucht gegen den letzten Wagon prallen.
Entscheidungen! Entscheidungen! Und keine wirklich guten Alternativen.
Aber ich war dem Ziel so nah. Ich konnte jetzt nicht aufgeben, konnte einfach nicht den Gedanken an Jamons Grinsen ertragen, wenn man mich schnappen würde.
Parrish hinter Gittern?
Einfache Entscheidung.
Ich bin der Meinung, dass man nie aufgeben sollte, bevor die Schlacht zu Ende ist; man sollte bis zum letzten Augenblick seinen Verstand gebrauchen. Vielleicht war es ja ein Reflex, etwas, über das ich keine Kontrolle hatte, aber als der Moment der Entscheidung da war – diese letzten Sekunden, als der graue Zugwagon sich wie eine Metallwand vor mir aufbaute und das Helikopternetz auf mich herabfiel –, schloss ich meine Augen.
KAPITEL ELF
Als ich meine Augen wieder öffnete, stand die Welt auf dem Kopf und schien sich im Schnellvorlauf zu bewegen. Ich hatte es geschafft. Ich hatte den Transitzug nur um Haaresbreite verfehlt, und meine Maschine hatte sich auf den Gleisen überschlagen.
Mit offenen Augen wäre mir das sicher nicht passiert.
Ich lag heute schon zum zweiten Mal im Dreck.
Die Welt um mich herum wurde schwarz.
Erleichterung. Das war das Erste, was ich verspürte, als ich wieder zu mir kam. Dem Wombat sei Dank: Mein Helm hatte seine Pflicht erfüllt und bedeckte noch immer schützend meinen Kopf. Ich hatte eine von Teece’ Lieblingsmaschinen verschrottet; ein kaputter Helm hätte dem Ganzen das I-Tüpfelchen aufgesetzt – und ich hätte wahrscheinlich den Rest meines Lebens damit verbracht, das alles wieder gutzumachen.
Erst langsam bemerkte ich den hämmernden Schmerz, der sich durch mein Rückgrat in meinen Schädel hochzog. Ich versuchte, mich zu bewegen, doch der Schmerz schoss wie Messerstiche durch meine Schultern. Mit jedem Atemzug brannten meine Lungen.
Schreckensvorstellungen kamen in mir hoch. Ich war paralysiert, gelähmt, nicht in der Lage zu laufen… nicht in der Lage zu rennen.
Ich wollte das nicht glauben; ich weigerte mich einfach. Mühsam, aber mit aller Kraft wuchtete ich mich auf Knie und Hände hoch.
Jemand berührte mich. Ein ganzes Feuerwerk von Schmerzen brannte auf meinem Rücken ab. »Nicht«, flüsterte ich. »Tu das bitte nicht.«
Der gleiche Jemand hob mich in die Höhe, als wäre ich eine Feder. Er murmelte einige beruhigende Worte. Ein Teil meines Gehirns erkannte die Unmöglichkeit, dass mich jemand alleine trug. Ich wog neunzig Kilo.
Der anderen Hälfte meines Gehirns war es egal, was geschah, solange nur der Schmerz nachließ.
Der Helm wurde mir abgenommen. Behutsam.
Zuerst wurde mir mein Overall ausgezogen, dann mein Nylonanzug. Ich hörte den Stoff reißen. Ich wollte protestieren. Mein bester Anzug…
Kälte kroch mit einem Mal in mir empor und dann… verschwand der Schmerz gnädig aus meinem Bewusstsein…
Nach und nach verschwand der Schleier vor meinen Augen. Ich befand mich im Halbdunkel eines Zelts in Fishertown. Ich musste noch nicht einmal sehen können, um das zu wissen. Ich erkannte es am Geruch von geräuchertem Fisch, und ich sah die gezackten Nähte, die das Zelt zusammenhielten.
Eine Stimme sprach zu mir. »Die Wirkung der Schmerzstiller wird nicht lange anhalten; aber ich kenne eine Ärztin in Viva. Ich werde dich zu ihr bringen. Du hast dir wahrscheinlich einige Rippen gebrochen, und deine Schulter ist ausgekugelt.« Ein Lachen. »Das war ein spektakulärer Sturz, alle Achtung!«
Mit enormer Anstrengung drehte ich den Kopf ein kleines Stück zur Seite.
»Du!«
Daac grinste mich breit an. Seine Zähne schimmerten in der Dunkelheit so weiß wie in einem Werbespot. Wie schaffte er das nur bei einer Ernährung, die hauptsächlich aus Protein-Ersatzstoffen und miesem Essen bestand?
Er redete weiter, als würde mich sein Geschwätz interessieren. »Ich muss einige Dinge in Viva erledigen. Ich hatte es ziemlich eilig. Glück für dich.«
Glück? Das konnte man auch anders nennen. »Und wer passt auf die Kinder auf?«, flüsterte ich.
»Wirklich komisch!« Er bedeckte meine Hüften mit einem Stofffetzen.
Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich beinahe völlig nackt war. Sogar der Träger meines Stringtangas war gerissen.
»Tut mir Leid wegen deiner Klamotten. Sie waren zerrissen, und ich wollte dir eine
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