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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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haben kein Recht auf dieses Geld«, sagte er leise. »Ich bin der Einzige, der den Preis dafür gezahlt hat. Sechs Jahre hab ich in diesem Betonklotz verbracht. Drei Jahre hab ich mich mit Pädophilen und Mördern zum Frühstück angestellt, und jeder von denen hatte einen Atem, bei dem es einem den Magen umdreht. Sechs Jahre an einem Ort, in dem Selbstmord für die meisten der einzige Ausweg ist.« Tief atmete er durch die Nase. »Das Geld war das Einzige, was mich am Leben gehalten hat.«
    Harry schloss die Augen und versuchte, sich nicht von den von ihm beschriebenen Bildern beeindrucken zu lassen. »Es tut mir leid, aber ich weiß keinen anderen Ausweg. Außer ich gehe zur Polizei.«
    Ihr Vater versteifte sich. »Es muss eine andere Möglichkeit geben, es muss sie einfach geben.«
    Harry sah ihn an. Etwas in ihr schrumpfte noch mehr zusammen.
    »Du wirst mir nicht helfen, nicht wahr?«, fragte sie.
    Sie hörte die Verletztheit in ihrer Stimme. Sie befand sich wieder auf der Schulmauer. Ein harter Knoten bildete sich in ihrer Brust. Er entzog sich ihr, so wie er es immer getan hatte. Welch kindischer Wunsch, dass sie meinte, es könnte jetzt anders sein!
    Plötzlich änderte sich seine ganze Haltung. Er sah ihr in die Augen und lächelte. Harry erschien es aufgesetzt. Was immer jetzt kommen sollte, sein Blick sagte etwas anderes.
    »Unsinn, klar werde ich dir helfen, Harry.« Sein Blick schwankte nicht. »Aber sei vernünftig, ich kann dir das Geld doch kaum hier überreichen, oder? Ist ja nicht so, dass ich es mit mir herumtrage.«
    Er kehrte die Handflächen nach oben und zog die Schultern hoch, eine Geste, die Harry von ihm nur allzu gut kannte. Sie mutete ihr eher französisch, nicht spanisch an, und wahrscheinlich hatte er sie sich irgendwann einmal absichtlich zugelegt.
    Die Tür hinter ihrem Vater ging auf, und ein Gefängnisbeamter trat in den Raum.
    »Die Zeit ist um, Gentlemen«, sagte der Beamte an der Tür.
    Der ältere Mann links von ihrem Vater erhob sich schwer. Gracie blieb sitzen, entschlossen, ihre einseitige Unterhaltung zu Ende zu führen, bevor ihr Bruder wieder in seine Zelle entkommen konnte.
    Harrys Vater schob den Stuhl zurück und sah zu den Aufsehern. »
Hablemos esta tarde
.« Reden wir am Nachmittag darüber.
    »Diesen Nachmittag?«
    Er erhob sich. Aufrecht und entspannt stand er vor ihr. »Hol mich um zwei Uhr vor dem Tor ab.«
    »Vor dem Tor? Ich verstehe nicht.«
    Er neigte den Kopf zur Seite. »Ich komm heute raus. Mein Straferlass ist durchgegangen. Ich dachte, du wüsstest es.«
    Harry blinzelte. »Nein. Nein, das habe ich nicht gewusst. Zumindest nicht, dass es so schnell ging.«
    Sie dachte an die Nachricht, die ihre Mutter auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Wahrscheinlich hatte sie versucht, es ihr mitzuteilen.
    Ihr Vater kam also wirklich raus. Sie fühlte sich so platt wie ein durchstochener Reifen.
    Sie seufzte. »Wenn ich dich abhole, wirst du mir dann helfen.«
    Sie machte sich nicht die Mühe, es als Frage zu formulieren. Wozu, wenn die Antwort so irrelevant war.
    »Natürlich, Liebes.« Er ging zur Tür. »Keine Sorge, alles wird gut werden.«
    Harry starrte ihm hinterher. Sie glaubte ihm kein Wort.

[home]
    36
      
    H arry fuhr an den Piers entlang und versuchte, nicht an ihren Vater zu denken. Sie hätte ihn nie besuchen sollen. Sie umklammerte das Lenkrad fester.
    Die Wolken lösten ihr früheres Versprechen auf Regen ein. Die Wischer kratzten über die Windschutzscheibe und unterstrichen die Satzfetzen, die ihr noch durch den Kopf schwirrten.
    Du solltest da nie mit hineingezogen werden.
    Ich werde alles tun, um dir zu helfen.
    Keine Sorge, alles wird gut werden.
    Harry schaltete die Scheibenwischer aus und bremste scharf vor einer roten Ampel ab. Sie stützte den Kopf auf die Faust und sah dem Regen zu, der in Schlieren über die Windschutzscheibe strömte.
    Ihr Vater würde ihr nicht helfen, so viel war klar. Er hatte sie gebeten, sie vor dem Gefängnis abzuholen, aber wozu? Für weitere Ausflüchte und Entschuldigungen? Harry schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht vor, auch nur in die Nähe des Gefängnisses zu kommen.
    Der Regen verwandelte sich in Hagel, Eiskügelchen hämmerten auf den Wagen ein. Der Fahrer hinter Harry hupte. Sie schreckte auf und machte sich am Schaltknüppel zu schaffen. Er fühlte sich klebrig an und ließ sich nur schwer bewegen. Sie fuhr einen zwei Jahre alten Nissan Micra, den Ersatzwagen, den ihr die Autoversicherung zur

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