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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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sie war gezwungen, ihre Tochter loszulassen.
    Hannah strich ihr Kostüm glatt. »Weder bin ich naiv noch ist es Paul Flemming.«
    »Paul?«, Katinka wandte sich ihm zu und starrte ihn fassungslos an.
    »Ja«, sagte Paul leise und dachte fieberhaft über eine Erklärung seiner Rolle nach: Er hätte sich leicht rechtfertigen und sagen können, dass er ja nur harmlose Porträtfotos gemacht hatte und nie etwas anderes im Sinn gehabt hatte. Im Gegenteil: Er war anfangs sogar fest entschlossen gewesen, Hannah die Sache mit den Akten auszureden. Andererseits wäre sie dann womöglich zu einem anderen Fotografen mit geringeren Skrupeln gegangen, und in diesem Fall wäre es letztlich doch besser gewesen, wenn Paul selbst fotografierte …
    Hannah nutzte die Chance seiner Unentschlossenheit, um die Pegnitzbrücke in Richtung Hauptmarkt zu überqueren.
    »Ausgerechnet du?«, fragte Katinka.
    Hannah eilte weiter und war bald in der Menge verschwunden.
    Katinka Blohm stand wie angewurzelt auf der Museumsbrücke, und Paul hatte keinerlei Vorstellung davon, was er als Nächstes sagen sollte. Auf der Brücke wimmelte es vor Menschen und die beiden wirkten wie Fremdkörper im hektisch-besinnlichen Weihnachtsrummel. Paul registrierte kaum, wie er nacheinander von verschiedenen Passanten angerempelt wurde. Erst als ein Mann mit Glühweinfahne auf sie zutrat und ihnen eine blinkende Nikolausmütze verkaufen wollte, fasste er sich. Paul zog sich mit Katinka an die steinerne Brüstung der Brücke zurück. Er schlug vor, dass Katinka ihn in seine Wohnung begleiten könnte, um über alles in Ruhe zu reden.
    Sie bahnten sich ihren Weg quer über den Christkindlesmarkt ins Burgviertel.
    Hier verloren sich die Menschenströme, und als sie in den Weinmarkt einbogen, waren sie gänzlich unter sich. Paul spürte eine gewisse Ruhe in sich einkehren, als sie die alten Gebäude links und rechts des kleinen Platzes passierten.
    Wenig später saßen sie bei frisch aufgeschäumtem Milchkaffee auf dem Sofa unter dem ovalen Oberlicht. Katinka hatte sich die Standpauke tatsächlich schenken können, denn in Paul hatte sie keinen Gegner, sondern eher einen Verbündeten gefunden.
    Paul erzählte ihr von seinen eigenen Bedenken, was die Fotoserie mit Hannah betraf. Andererseits betonte er, dass ein Fotograf viele Möglichkeiten habe, Bildern eine bestimmte Richtung zu geben.
    Interessiert betrachtete Katinka eine Mappe mit Akten von Frauen und Männern, in Farbe und Schwarzweiß, dezente Weichzeichneraufnahmen ebenso wie Bilder mit klar strukturierten Details.
    »Die Fotos sind schön«, sagte Kantinka versöhnlich. »Ich verstehe nichts davon, aber die Bilder gefallen mir.«
    »Ich könnte dich auch fotografieren«, schlug Paul halb im Spaß vor.
    Katinka lachte etwas verlegen auf und legte die Mappe beiseite. Ihre Blicke tadelten Paul scherzhaft für seine Forschheit.
    Paul schob die Fotomappe beiseite. »Es ist bald Weihnachten«, sagte er unvermittelt. »Ich werde mir wohl ein Geschenk für deine Tochter einfallen lassen müssen.« Auf Katinkas fragenden Blick hin ergänzte er: »Als Wiedergutmachung dafür, dass ich mich jetzt ein für alle Mal dazu entschlossen habe, die Aktfotos nicht zu machen.«

29
     
    Irgendwie war es ein komisches, ein ungewohntes Gefühl. Ein Gefühl, das Paul in dieser Form nicht kannte, das er aber dennoch auskosten wollte: Während er im ockergelb getünchten und von flackernden Neonröhren beleuchteten Flur der Redaktion auf Geheiß einer forschen Volontärin darauf wartete, zu Blohfeld vorgelassen zu werden, reflektierte er über seinen ersten Erfolg als Detektiv. Denn es war ja – wenn auch nicht ganz freiwillig – sein Fall gewesen, den sie letztendlich gemeinsam gelöst hatten.
    Er konnte den Reporter durch eine Glasscheibe beobachten: Blohfeld saß – wie oft um diese Uhrzeit – fast allein in der Redaktion. In der Luft stand der kalte Zigarettenrauch seiner Kollegen, die längst bei ihren Familien, Geliebten, in der Bar oder auf einem Abendtermin waren. Blohfeld brütete sicherlich vor der mit der Asche seiner Zigarren verdreckten Tastatur über der Schlagzeilenstory zur Mordserie. Aber er wirkte nicht so recht zufrieden. So, als würde ihm dieses Mal jeder seiner typischen stakkatoartig verfassten Sätze schwer fallen.
    Paul sah näher hin: Blohfeld quälte sich augenscheinlich. Dann bemerkte er offenbar, wie er zu schwitzen anfing, und wischte mit einem großen weißen Taschentuch über die Stirn. Paul

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