Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
zumuten.
Ohne rechten Antrieb rappelte er sich auf, um endlich seinen Auftrag zu erfüllen und Blohfeld die Fotos von der Ausstellung zu liefern.
15
»Komm mit hoch«, sagte Paul zu Hannah. Sie hatte im Hausflur auf ihn gewartet, wie es eben ihre liebe Gewohnheit war, wenn sie Paul unangemeldet besuchte und vor verschlossener Tür stand.
»Wo waren Sie denn heute schon so früh?«, fragte sie neugierig und folgte ihm die Stufen hinauf bis ins oberste Stockwerk.
Paul hatte absolut keine Lust, ihr von seinem morgendlichen Besuch bei der Polizei zu berichten. Sie hatten ihn schon beim Frühstück gestört und von ihm verlangt, zum Verhör ins Präsidium an den Jakobsplatz zu kommen. Wichtige Nachermittlungen, hatten sie am Telefon gesagt. Aber dann waren es doch wieder nur dieselben Fragen gewesen, die ihm die Beamten auch schon beim ersten Mal in der Rathauswache gestellt hatten und auf die es noch immer keine Antwort gab.
Zu Pauls Bestürzung waren die Kripoleute diesmal noch weitaus schärfer vorgegangen. Sie hatten ihn abermals zu zweit in die Mangel genommen und ihre Fragen auf ihn abgeschossen wie Pfeile. Paul hatte ihren Gesichtern deutlich angesehen, dass sie ihm seine Amnesie nicht länger abkaufen wollten.
Sie hatten durchblicken lassen, dass der ermittelnde Staatsanwalt über kurz oder lang einen Amtsarzt einschalten würde, um Pauls grauen Zellen auf die Sprünge zu helfen beziehungsweise seinen Schwindel auffliegen zu lassen. Für Paul bedeutete das, dass er sich so bald wie möglich einen Anwalt nehmen musste. Vor den Kosten dafür scheute er noch zurück. Aber wenn er mit seinen Ermittlungen auf eigene Faust nicht weiterkam, würde dies die einzige vernünftige Alternative sein.
»Was schauen Sie denn so betrübt?«, fragte Hannah, als sie auf Pauls Couch vor dem halb geleerten Frühstückstisch Platz genommen hatte.
Paul verzog sich in seine Küchenzeile und antwortete mit einer Gegenfrage: »Auch einen Kaffee?«
»Ich nehme einen Cappu«, sagte Hannah gut gelaunt. »Bitte im großen Becher und mit aufgeschäumter Milch. Und zwei Stückchen Zucker.«
»Aber trinken kannst du ihn selber, oder?«, fragte Paul bissig.
Hannah hörte darüber hinweg. »Essen Sie das Brötchen noch?«
»Beiß nur rein. Du hast es ja eh schon in der Hand.«
»Danke«, sagte Hannah kauend. »Mmm, Erdbeermarmelade. Haben Sie auch Honig?«
»Heute nicht. Die Biene ist krank.« Paul stellte den Kaffeebecher vor Hannah auf den Tisch. Er tat das so grob, dass der Kaffee überschwappte.
»Hey, Flemming!« Hannah brachte den Ärmel ihrer weißen Bluse außer Reichweite. »Seien Sie nicht so uncharmant. Das passt nicht zu Ihnen.«
Paul stützte sich mit beiden Fäusten auf dem Tisch ab und blickte Hannah finster an: »Die Zeit der Nettigkeiten ist vorbei. Ich habe echte Probleme, Hannah.«
»Ja, ich weiß«, gluckste Hannah. »Ihre Biene ist krank.«
»Sehr witzig.«
»Ich versuche wenigstens, Sie aufzumuntern«, sagte Hannah nun vernünftiger. »Was bringt es Ihnen, wenn ich auch noch anfange, Trübsal zu blasen? Nichts! Außerdem habe ich mich ja – aus was weiß ich für Gründen – dafür entschieden, Ihnen zu helfen. Aber das kann ich auf Dauer nur, wenn ich gute Laune habe.«
Paul war stark versucht, Hannah rauszuschmeißen, denn ihm stand der Sinn absolut nicht nach Smalltalk. Aber sie konnte nichts dafür, dass er bei der Polizei heute morgen so mies behandelt worden war. Erst recht nichts dafür, dass er sich in diese Lage gebracht hatte, aus der er nun keinen Ausweg mehr wusste.
Paul ging zu seinem Schreibtisch, holte Block und Stift und setzte sich neben Hannah. Dann begann er, einige Namen auf das Papier zu schreiben:
Beate Meinefeld, Nadine Schneider, Heinrich Bartel, Bernhard Schrader.
»Warum schreiben Sie diese Namen auf?«, wollte Hannah wissen.
»Sie alle haben etwas damit zu tun, dass ich in der Patsche sitze«, sagte Paul. »Bea, die Tote aus dem Lochgefängnis, dann Nadine, ihre Freundin. Heinrich Bartel, das ist ein Zeitzeuge, der bei der Ausstellungseröffnung einen Infarkt erlitten hat. Und Schrader, der Baumogul. Er hat den Stein ins Rollen gebracht, indem er die Ausstellung nach Nürnberg geholt hat. Sie alle stehen in irgendeiner Weise mit dem Ausstellungsort und damit dem Tatort in Verbindung.«
»Dann müssen Sie sich selbst konsequenterweise auch auf die Liste setzen«, sagte Hannah.
Paul zögerte einen Moment, bevor er seinen eigenen Namen zu Papier brachte. Dann schob er
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