Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Hannah den Block hinüber.
Hannah ließ sich Zeit damit, die kurze Namensliste immer und immer wieder durchzulesen. »Für gewöhnlich stellen Sie verzwickte Situationen wie diese doch immer mit Playmobilfiguren nach. Aber, nun ja, es geht ja auch so.« Dann kräuselte sie die Stirn. »Dieser Schrader – hatten Sie den Typen nicht schon einmal unter Verdacht?«
»Doch.« Paul senkte den Blick. »Ich wollte ihn für den Mord an einem Kaspar-Hauser-Forscher verantwortlich machen.«
»Ich erinnere mich«, sagte Hannah mit kaum unterdrückter Belustigung. »Damals sind Sie ganz schön baden gegangen.«
»Ja«, sagte Paul bedrückt. »Das soll mir nicht wieder passieren.«
»Trotzdem«, sagte Hannah unvermutet. »Nach allem, was ich von der Sache bisher mitbekommen habe, würde es sich lohnen, diesem Schrader wenigstens mal auf den Zahn zu fühlen.«
»Du meinst, ich soll . . .?«, fragte Paul, erstaunt über Hannahs Initiative.
Diese nickte bestimmt. »Ja, es ist zumindest den Versuch wert.«
Hannahs Zuversicht stimmte allmählich auch ihn optimistischer. »Ich habe ja nichts zu verlieren«, sagte Paul. »Es fragt sich nur, wie ich an Schrader herankomme. Ich kann ihn wohl kaum in seinem Büro besuchen.«
Hannah setzte ein hinterlistiges Lächeln auf. »Das können Sie schon. Er hört Ihnen ganz bestimmt zu, wenn Sie bei ihm ein Hochhaus in Auftrag geben, als Abgesandter der Staatskanzlei auftreten oder eine Homestory über ihn machen wollen.«
»Homestory?«, fragte Paul aufmerksam.
»Ja!« Hannah nickte eifrig. »Leute wie Schrader stehen gern in der Öffentlichkeit. Selbst wenn ihr Terminkalender überquillt, finden sie immer noch ein Zeitfenster für einen wohlgesonnenen Fotoreporter. Das ist Ihre einzige Chance, Flemming!«
»Also, ich weiß nicht«, zweifelte Paul. »Ich kann mich bei den Schraders ja nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einschleichen. Wenn das rauskommt, geht meine Kaution ganz schnell flöten.«
»Wer sagt denn was von falschen Tatsachen?«, legte Hannah nach. »Sie gehen da als echter Reporter hin, mit echtem Auftrag in der Tasche.«
»Woher soll ich diesen echten Auftrag denn bekommen?«, fragte Paul und wusste doch schon die Antwort.
»Ja«, bestätigte ihm Blohfeld wenig später am Telefon. »Eitel ist er. Wie ein Gockel! Gerade jetzt, nach der Ausstellungseröffnung, wäre Schrader eine Homestory zur Steigerung seiner Publicity gerade recht.«
Paul hörte, wie Blohfeld an einer seiner Zigarren zog. Wahrscheinlich hatte er sich in seinen Stuhl gelümmelt und die Beine auf den Schreibtisch gelegt, malte sich Paul aus.
»Ich gehe jede Wette ein, dass er Sie noch heute empfangen wird«, sagte Blohfeld.
»Noch heute?« Das ging Paul nun doch ein bisschen zu schnell.
»Ja. Heute«, versicherte der Reporter. »Um was wetten wir? Ich arrangiere die Sache für Sie!«
»Wetten?« Paul fühlte sich überfahren. Erst Hannahs Übereifer, ihm zu helfen, und nun Blohfelds Tatendrang – konnte das gut gehen?
»Sagen wir, es geht um eine ordentliche Flasche Schampus für meine neue Praktikantin und um eine üppige Kubanerin für mich.«
»Sie scherzen«, sagte Paul entgeistert.
»Nein. Eine Handgerollte aus Castros Reich ist nicht zuviel verlangt für den Dienst, den ich Ihnen erweisen werde.«
»Also gut«, stimmte Paul schließlich zu. »Schampus und Kubanerin. Geht klar.«
16
Seine eigenen Überlegungen waren ihm im Nachhinein selbst völlig deplatziert erschienen, als er sich – nachdem er die Wette gegen Blohfeld bereits eine halbe Stunde nach ihrem Telefonat verloren hatte – auf den Abend vorbereitete. Blohfeld hatte es tatsächlich geschafft, für Paul eine Audienzstunde im Hause Schrader zu arrangieren. Und Paul sah sich prompt wieder vor die Qual der Wahl gestellt, in welcher Garderobe er bei Schrader erscheinen sollte. Aber nach einem flüchtigen Blick in seinen Kleiderschrank war die Ehrfurcht vor dem hohen Haus, das er besuchen würde, seinem professionellen Pragmatismus gewichen. Warum, sagte er zu sich, sollte er sich für einen ganz gewöhnlichen Job extra in Schale schmeißen? Schwarzes Sakko, schwarzes Polohemd, dunkle Bluejeans – das würde es auch tun.
Nun aber fühlte er sich doch nicht wohl in seiner Haut respektive Kleidung. Als Paul die mondäne Villa an der Falterstraße in Tiergarten-Nähe betrat, erschien ihm alles hell, fein und kostbar. Eine reizende Hausdame hatte ihm geöffnet, und sofort war Paul von drei Kindern und einem Hund
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