Paula geht
nicht mehr so gut gegessen. Wissen Sie, ich kann nicht kochen. In den letzten Wochen, also seit ich wieder Strom habe, gab‘s nur Dosensuppen und ab und zu eine Portion Mirácoli.“
„Aber Apfelkuchen können Sie. Ich wiederum kann nicht backen, das passt doch gut.“ Er lachte gutmütig. „Möchten Sie mit rüber zum Kamin kommen?
„Wir können auch schnell den Abwasch zusammen machen“, bot sie an.
„Ach Quatsch, ich habe doch eine Spülmaschine. Nehmen Sie einfach ihr Glas mit und gehen Sie schon mal vor.“ Er schnitt zwei große Stücke Kuchen ab und trug sie zur Sitzecke vor dem Kamin. Dann kniete er sich davor, um das Feuer in Gang zu bringen. Und er meinte, ihre Blicke auf seinem Rücken zu spüren, so dass ihn ein wohliger Schauer überlief.
Als er sich zu ihr setzte, sah er, dass sie inzwischen vom Wein oder von dem guten Essen rosige Wangen bekommen hatte. Ganz entspannt hatte sie den einen Fuß unter ihr Kleid gezogen. Ihre Nägel waren schwarz lackiert, was ihn etwas irritierte.
„Nun erzählen Sie mal was über sich. Wie kamen Sie auf die Idee, den Hof hier in diesem Nest aufzubauen?“
Aha, jetzt kam die Fragestunde, die Frauen so liebten. Also gut. Er räusperte sich und erzählte ihr von seiner Zeit im Futterbetrieb und wie unglücklich er da gewesen war und von seinem großen Traum aus Kindheitszeiten und wie er die Ferien auf dem Hof seiner Großeltern immer so genossen hatte. Sie hörte aufmerksam zu und gab nur gelegentlich zustimmende Laute von sich. Er mochte es, wenn Frauen auch zuhören konnten.
„Aber jetzt sind Sie dran. Aber vielleicht sollten wir uns auch einfach duzen?“, fragte er vorsichtig. Sie nickte und stieß mit dem Rest Rotwein in ihrem Glas mit ihm an. Wieder trafen sich ihre Blicke und verhakten sich für einen Moment ineinander.
„Also, was hat dich in den hohen Norden verschlagen, wo die Menschen wortkarg sind und du meilenweit niemand triffst außer ein paar Möwen?“
Sie erzählte lange, gerade auch von den einsamen Kämpfen der ersten Wochen in dem Haus, das ihr gelegentlich über den Kopf wuchs. Sein Herz wurde weit und er merkte, wie er sie beschützen wollte. Sicher quälte sie sich ab, auch wenn sie sich nicht direkt beklagte. Sie schien ihm wie ein Vogel, der sein Nest noch nicht gefunden hatte. Man stelle sich nur vor, wie sie monatelang von Wohnung zu Wohnung gezogen war, nur mit einer Reisetasche im Gepäck. Vielleicht konnte er ihr ja dieses Nest bieten, nach dem sie auf der Suche zu sein schien.
Als sie von ihren ersten Erfahrungen mit den Dorfbewohnern erzählte, von Herrn Matussek, der sie nicht mehr grüßen durfte, weil er sonst Ärger mit seiner Frau bekam; von den Unbekannten, die den großen Haufen Sperrmüll, der auf der Straße auf seine Abholung wartete, wieder in ihren Vorgarten geworfen hatten; von der Frau des Bürgermeisters und der unfreundlichen Stimmung, die sie hier verspürte und dabei Tränen in den Augen hatte, setzte er sich neben sie und zog sie an seine Schulter. Kurz lehnte sie sich an ihn. Ihr Haar roch einfach wunderbar. Dann straffte sie sich und stand auf. „Ralf, ich bin echt kaputt. Die letzte Zeit bin ich immer mit den Hühnern ins Bett gegangen, um gleich morgens anfangen zu können, wenn es hell wird. Ich muss heim. Aber es war ein wunderschöner Abend und ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht zu viel mit meinem Kram belastet.“
Ralf schüttelte den Kopf. Es fielen ihm natürlich nicht die richtigen Worte ein, denn er wünschte sich ja, dass sie ihm noch viel mehr erzählte. Also brachte er sie zur Tür, holte tief Luft und gab ihr einen mutigen Kuss auf die Wange. Sie lächelte, was sicher ein gutes Zeichen war, und schon war sie in der Dunkelheit verschwunden.
Er nahm sich noch ein letztes Stück Apfelkuchen und freute sich, dass er ihr das Blech nicht mitgegeben hatte, um einen Grund zu haben, morgen vorbeizuschauen. Er starrte in die Glut. Sicher, sie war eindeutig zu alt, auch wenn man ihr das Alter noch nicht ansah. Aber sie war ein netter Kerl und weiblich genug, dass sie seine Sinne ansprach – war ja beides wichtig. Er fühlte sich so beschwingt wie schon lange nicht mehr, holte seine alte Westerngitarre und klimperte noch ein bisschen „Hotel California“ und was ihm sonst noch so einfiel, bevor er mit einem warmen Gefühl in der Brust ins Bett fiel.
Kapitel 9
Paula reckte sich am nächsten Morgen und dachte an den vergangenen Abend zurück. Es war schön gewesen, sich wieder mal so
Weitere Kostenlose Bücher