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Paula geht

Paula geht

Titel: Paula geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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ihre Hand, die auf ihrem Schoß lag, in seine, die heute ein wenig feucht war. Paula wagte nicht, sie ihm zu entziehen, obwohl sie schon befürchtete, was jetzt kommen würde.
    „Paula, ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass mir das zunehmend egal ist mit den Kindern. Entweder es klappt oder es klappt nicht oder wir adoptieren welche oder wie auch immer. Aber wer mir nicht egal ist, bist du. Also anders ausgedrückt: Ich habe mich in dich verliebt. Ich will dich, die 46-jährige Paula, die lacht und Apfelkuchen backt und zupackt, wenn es angebracht ist, und die ihre Ziegen bei mir vergessen hat.“
    Er sah sie warmherzig bittend aus seinen graugrünen Augen an. Paula seufzte tief und versuchte nochmal zu spüren, was ihr Bauch ihr zu sagen hatte. Der Kopf klopfte die ganze Zeit laut an und sagte: Ralf ist ein wirklich netter Kerl, worauf wartest du noch. Willst du es dir immer absichtlich schwer machen? Willst du dein ganzes Leben alleine bleiben? Das ging in einem fort wie eine tibetanische Gebetsmühle. Doch ihr Magen krampfte sich zusammen und auch das waren eindeutige Signale. Sie wusste in ihrem tiefsten Inneren, dass sie ihn nicht so liebte, wie er es verdient hatte. Und für ein Experiment in dieser Größenordnung war sie nicht bereit. Sollte sie Monate oder gar Jahre darauf hoffen, dass sich die Liebe entwickelte, und so lange Ralf gegenüber ein schlechtes Gewissen haben, weil er sie liebte und sie ihn nur mochte?
    Ralf wartete immer noch geduldig und Paula gab sich einen Ruck. „Ralf, es geht leider nicht mit uns. Ich sehe auch, dass es so weit gut passen würde, aber das hilft mir nichts. Ich habe mich leider nicht in dich verliebt.“
    Er rutschte ein wenig weg, ohne ihre Hand loszulassen, aber sein Händedruck wurde schwächer. „Das habe ich schon befürchtet, sonst hättest du dich die letzten Tage nicht so zurückgezogen. Ach Paula, manchmal ist das Leben nicht fair. Ich dachte irgendwie, nach den ganzen Jahren voller Arbeit wäre ich jetzt mal dran mit dem Glücklichsein.“
    Paula nickte, zog vorsichtig ihre Hand weg und schaute Ralf direkt in die Augen. „Es tut mir so leid, nicht nur für dich, auch für mich, weißt du. Ich hätte mir auch einen Partner gewünscht, aber es wäre nicht richtig.“
    Ralf versuchte sich zusammenzureißen und stand auf. „Ja, verstehe. Dann macht das auch für mich keinen Sinn. Solltest sich bei dir noch etwas verändern, du weißt ja, wo du mich findest.“
    Paula fühlte sich so schwer, dass sie kaum aufstehen konnte. Andere zu enttäuschen, macht wirklich keinen Spaß. Alles andere wäre aber noch viel schmerzhafter. Sie stand auf, versuchte Ralf beim Abschied etwas ungeschickt zu knuffen. „Ich danke dir trotzdem für alles“ – und für deine Liebe, fügte sie innerlich dazu.
    Ralf wehrte ab „Tja, gern geschehen. Aber ich glaube, ich brauch jetzt erst mal ein bisschen Abstand.“
    „Ja, das dachte ich mir schon.“
    „Kommst du klar?“, fragte er vorsichtig. Paula nickte und konnte die Tränen kaum mehr zurückhalten. Dass er sich jetzt auch noch um sie sorgte. Jetzt musste sie wirklich gehen, sonst würde sie doch noch schwach werden.
    Sie verabschiedeten sich steif im Stehen. Paula holte die Ziegenmama und ihre Jungen. Wenn das kein Fehler war, dachte sie, und zog ihre drei Ziegen hinter sich her.
     
    Als Paula am nächsten Mittag aus dem Haus trat und mit Schwung ihre Küchenabfälle zu den Ziegen ins Gehege warf, stolperte sie über eine kleine Person, die am Zaun stand. „Hoppla.“
    Der Junge, er mochte vielleicht sieben Jahre alt sein, schaute sie aus einem blassen, sommersprossigen Gesicht ein wenig trotzig an. Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor. „Darf ich sie füttern?“, fragte er.
    Ächzend lehnte sich Paula über den Zaun und rettete ein bisschen Karottengrün und ein paar Kohlrabischalen, über die sich die gefräßigen Tiere noch nicht hergemacht hatten, und drückte dem Jungen das Grünzeug in die Hand. Dann wandte sie sich um. Sie war wirklich im Stress mit dieser Tapete, die vermutlich mit irgendeinem Nachkriegszeug eingepinselt und deswegen quasi mit der Wand verwachsen war.
    „Ich bin Bene“, hörte sie den Jungen noch leise sagen. Sie drehte sich zu ihm zurück und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Paula“, sagte sie.
    Er nickte. „Ich weiß.“
    Während Paula verbissen den Kampf mit Spachtel und Tapete wieder aufnahm, gingen ihr die traurigen Augen des kleinen Bene nicht mehr aus dem Sinn. Was musste

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