Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
werden, weder Fußspuren noch Fingerabdrücke, Haare oder Gewebefasern.« Er sah den Colonnello skeptisch an. »Hört sich nicht nach einem Irren an.«
Esposito rang sich ein schmallippiges Lächeln ab. »Sehen Sie, wir bemühen uns zwar, unsere Carabinieri so gut wie möglich auszubilden, aber ein paar Begriffsstutzige gibt es eben auch bei uns. Nur weil keine Beweismittel gefunden wurden, heißt das noch lange nicht, dass es auch keine gegeben hat.«
Pendergast blätterte zur nächsten Seite um. »Nur ein Schuss, direkt ins Herz. Und noch etwas Interessantes: Der Gerichtsmediziner hat einige Tropfen geschmolzenen Aluminiums gefunden, die sich tief in das Fleisch des Opfers eingebrannt haben.« Er schlug die nächste Seite auf. »Und hier, das macht den Fall noch rätselhafter. Etliche Jahre vor seiner Ermordung stand Vanni wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs vor Gericht. Die Polizei ging darum davon aus, dass es sich bei dem Mord um einen Racheakt gehandelt habe. Das brutale Vorgehen wurde mit dem Hass des Mörders auf Kinderschänder begründet.«
Esposito drückte die Zigarette aus und nickte. » Allora – ein Racheakt. Jemand aus der Dorfgemeinschaft. Er wollte den Kinderschänder leiden sehen für das, was er getan hatte. Das erklärt alles.«
»Sieht ganz danach aus«, sagte Pendergast und fügte nach einer langen Pause hinzu: »Trotzdem, es ist irgendwie zu einfach, zu perfekt. Wenn Sie jemanden töten wollten, Colonnello, und es käme nicht darauf an, wer es ist, wen würden Sie dann auswählen? Ich bin mir sicher, Ihre Wahl würde auf jemanden wie Vanni fallen. Einen Mann, der eines abscheulichen Verbrechens für schuldig befunden, aber nie dafür zur Rechenschaft gezogen wurde, einen Mann ohne Familie, ohne Beziehungen, ohne Job. Die Polizei würde sich nicht gerade ein Bein ausreißen, um den Schuldigen zu finden, und die Anwohner würden alles tun, um die Ermittlungen zu behindern.«
»Das hört sich zu clever an, Agent Pendergast«, wandte Esposito ein. »In meinem Leben habe ich es noch nie mit einem Kriminellen zu tun gehabt, der zu so einem Plan fähig gewesen wäre. Und warum sollte irgendjemand einen anderen grundlos töten? Das klingt ja wie aus einem Roman von Dostojewski.«
»Wir haben es hier nicht mit einem gewöhnlichen Kriminellen zu tun, Colonnello. Und unser Killer hatte einen sehr spezifischen Grund für seine Tat. Wäre es möglich, uns eine Kopie des gerichtsmedizinischen Berichtes zu überlassen?«
Der Colonnello nickte widerstrebend und schickte den Carabinieri los, die Kopie zu fertigen. »Ich hoffe, Sie kommen nicht auch noch auf die Idee, dass ich Ihnen eine richterliche Anordnung für die Exhumierung besorgen soll«, murmelte er.
»Ich fürchte, genau das haben wir vor.«
Esposito griff nach der nächsten Zigarette und fing hektisch zu paffen an. » Mio Dio! Haben Sie den Schimmer einer Ahnung, wie lange das dauern wird? Mindestens ein Jahr!«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?«
Esposito zuckte die Achseln. »Das ist eben Italien.« Ein bauernschlaues Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Es sei denn …«
Pendergast horchte auf. »Es sei denn – was?«
»Es sei denn, Sie nehmen den einfacheren Weg, ohne die Behörden einzuschalten.«
Pendergast sah ihn entsetzt an. »Meinen Sie etwa … so etwas wie Grabraub?«
»Wir sprechen in solchen Fällen lieber von controllo preliminare. Sie schaffen vollendete Tatsachen, den Papierkram können Sie hinterher erledigen.«
»Ich verstehe«, sagte Pendergast. »Wir nennen das bei uns vorauseilenden Gehorsam. Danke, Colonnello.«
»Wofür? Ich habe nichts gesagt.« Er grinste spitzbübisch. »Im Übrigen gehört der Friedhof nicht zu meinem Zuständigkeitsbereich. Wir haben es mit einem einvernehmlichen Vorgehen zum Nutzen aller Beteiligten zu tun. Ausgenommen natürlich Carlo Vanni.«
Als sie sich verabschiedet hatten und gehen wollten, rief der Colonnello ihnen nach: »Vergessen Sie nicht, Brot und eine gute Flasche Chianti einzupacken. Ich fürchte, es wird eine lange, kühle Nacht für Sie werden.«
70
Die Kirche, bei der Carlo Vanni seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, lag in den Hügeln des Apennin, oberhalb der Stadt Pistoia, am Ende einer kurvenreichen Straße.
»Wir sollten darauf gefasst sein, dass wir Gesellschaft bekommen«, murmelte Pendergast.
»Meinen Sie, die wissen, dass wir hier sind?«, fragte D’Agosta verwundert.
»Ich bin sogar ganz sicher. Ein Wagen verfolgt uns, ich
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