Pension der Sehnsucht
überzeugt.
»Und du irrst dich wohl nie?« meinte Nelly bissig.
Elsie überhörte die Frage und fuhr in aller Gemütsruhe fort: »Ich fände es richtig schön, wenn du heiraten und dich hier in der Nähe niederlassen würdest. Solange keine Kinder da sind, kannst du das Hotel weiterführen.«
»Bleib bei deinen Brathähnchen und Tortenböden, Elsie«, riet Nelly. »Als Wahrsagerin bist du nämlich eine Niete. Mr. Reynolds würde mich weder heiraten noch sich hier niederlassen. Außerdem bin ich für seinen Geschmack viel zu provinziell und unerfahren.«
»Unsinn.« Elsie rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. »Du solltest nur mal sehen, wie er die Augen nach dir verdreht.«
»Meine liebe Elsie, da du in deinen fünfzig Jahren ja sehr viel Weisheit und Lebenserfahrung gesammelt hast, kennst du bestimmt auch den Unterschied zwischen dem Wunsch nach einer oberflächlichen Affäre und dem Bedürfnis, zu heiraten und sesshaft zu werden. Selbst wenn man wie wir in der Provinz aufgewachsen ist, kennt man den Gegensatz zwischen Sex und Liebe.«
»Du liebe Zeit, Mädchen, was du dir da zusammenreimst, ist lächerlich«, entgegnete Elsie so nachsichtig, als hätte sie es mit einem launischen Kind zu tun. »Trink jetzt deinen Kaffee aus und dann lass mich allein. Ich muss noch die Törtchen vorbereiten und die Sahne schlagen. Und wehe, du nimmst den Verband ab«, drohte sie Nelly hinterher, die bereits zur Tür ging.
Während Nelly sich für ihr Rendezvous zurechtmachte, gelangte sie zu dem Schluss, dass ihr Aussehen offenbar nicht dem Bild entsprach, das man sich von einer Respektsperson machte. Sie war immer noch darüber verärgert, dass Elsie sie abgekanzelt und aus der Küche vertrieben hatte. Dagegen muss ich etwas unternehmen, dachte sie.
Nelly stöberte in ihrem Kleiderschrank und holte das Geburtstagsgeschenk ihrer Großmutter hervor. Die weiße Seidenbluse betonte den zierlichen Busen, und die elegante schwarze Hose schmiegte sich eng an die sanft gerundeten Hüften und die schlanken, wohlgeformten Beine.
»Mir ist nicht klar, ob ich damit wie eine Respektsperson wirke«, murmelte Nelly, während sie sich vor dem Spiegel drehte. »Ich bin neugierig, wie Howard darauf reagiert.« Sie kicherte, als sie sich sein gutmütiges Gesicht vorstellte.
Er hatte treuherzige Augen wie ein junger Hund, und über der Oberlippe spross ein kümmerliches Bärtchen. Er sähe gar nicht so übel aus, wenn er nur ein markantes Kinn hätte, überlegte Nelly. Howards Gesicht verschmolz schon vom Mund abwärts mit dem Hals.
Aber er ist ein feiner Kerl, gestand Nelly sich ein. Howard war freundlich, sympathisch, unkompliziert und vor allem offen. Sie schlüpfte in leichte schwarze Sandalen, nahm ihre Handtasche und verließ das Zimmer.
Sie hoffte, ungesehen nach draußen entwischen zu können, wo sie auf Howard warten wollte, doch Eddie fing sie völlig aufgelöst in der Diele ab.
»Nelly! Nelly, warte mal!« Er rannte ihr bis zur rettenden Tür hinterher.
»Eddie, falls das Hotel abbrennt, sag es mir lieber erst morgen. Ich wollte nämlich gerade gehen.«
»Nein, Nelly.« Aufgeregt griff er nach ihrer Hand. »Liz hat Maggie erzählt, dass Miss Trainor das ganze Hotel umkrempeln will. Mr. Reynolds hat vor, hieraus ein Ferienzentrum zu machen, mit einer Sauna in jedem Zimmer und einem illegalen Spielcasino im Keller.« Verzweifelt klammerte er sich an sie und blickte Nelly durch seine starke Brille flehend an.
»Mr. Reynolds beabsichtigt keineswegs, ein illegales Spielcasino einzurichten«, erwiderte sie geduldig.
»Aber er besitzt doch eins in Las Vegas«, tuschelte Eddie.
»In Las Vegas darf gespielt werden. Ein Spielcasino zu betreiben verstößt nicht gegen das Gesetz.«
»Aber Nelly, Maggie sagt, Miss Trainor will den Aufenthaltsraum ganz neu gestalten. Die Einrichtung soll in Rot und Gold gehalten werden, und an die Wände kommen Bilder mit nackten Frauen.«
»Das ist doch Unsinn.« Sie tätschelte seine Hand und amüsierte sich über Eddies Verlegenheit. »Bis jetzt ist noch gar nichts entschieden. Und wenn Mr. Reynolds dafür ist, dass der Aufenthaltsraum renoviert wird, dann bestimmt nicht in Rot und Gold und auch nicht mit Bildern von nackten Frauen.«
»Vielen Dank«, hörte sie hinter sich Percys Stimme. Nelly zuckte zusammen. »Eddie, ich glaube, die beiden Damen Bodwin haben nach Ihnen gerufen«, fügte er hinzu.
»Ich bin schon unterwegs, Sir.« Mit hochrotem Kopf eilte Eddie davon und überließ
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