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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Fäulnisschicht bedeckten Wassergraben, wohin Shadrach die anderen bringen sollte.
    Bisher keine Spur von ihnen.
    Kaum dass die Nacht hereinbrach, waren die Straßen wie ausgestorben. Die Kaktusleute zogen sich in ihre Behausungen zurück. Von brodelnder Geschäftigkeit verwandelte der Ort sich binnen einer halben Stunde in eine Geisterstadt. Als Einzige waren die bewaffneten Patrouillen noch unterwegs. Sie wanderten, mit sichtlichem Unbehagen, durch die tiefer werdenden Schatten. Erleuchtete Fenster wurden dunkel, als man Läden und Vorhänge schloss. Gaslaternen gab es nicht. Yagharek beobachtete, wie Nachtwächter die Stadt durchwanderten und mit Fidibussen an der Spitze langer Stäbe die in Abständen angebrachten Pechfackeln entzündeten.
    Jeder der Nachtwächter wurde von einem Trupp Bewaffneter begleitet.
    Auf dem Dach der Zikkurat machte eine Gruppe Ältester sich an der rätselhaften Maschine zu schaffen, legte Hebel um und zog an Handgriffen. Die riesige Linse oben auf der Apparatur drehte sich an einem klobigen Arm nach unten. Yagharek schaute interessiert zu, doch er konnte nicht herausfinden, was sie taten oder welchem Zweck die Maschine dienen sollte. Unter seinen verständnislosen Blicken schwenkten die Kaktusleute die Linse um eine waagerechte und eine vertikale Achse, überprüften Armaturen und nahmen obskuren Kalibrierungen gemäße Einstellungen vor.
    Über Yaghareks Kopf hingen zwei der Affenkonstrukte an einem Eisenholm. Das dritte befand sich ein paar Meter unter ihm, auf einer quer zu der seinen verlaufenden Strebe. Sie warteten regungslos darauf, dass er ein Zeichen gab, aktiv zu werden.
    Yagharek nahm eine bequemere Haltung ein und wartete.
     
    Zwei Stunden nach Sonnenuntergang war die Kuppel tintenschwarz. Die Sterne waren unsichtbar. Durch die Straßen geisterte abweisender, bräunlicher Fackelschein. Die Patrouillen waren zu Schatten vor dunklerem Hintergrund verblasst.
    Es gab keine Geräusche außer dem Knistern der Flammen, dem leisen Ächzen schlafender Häuser und gedämpftem Flüstern. Hin und wieder huschten Lichter zwischen den langsam abkühlenden Backsteinmauern.
    Immer noch kein Zeichen von Lemuel, Isaac und den anderen. In einem kleinen Winkel seines Bewusstseins war Yagharek besorgt deswegen, daneben aber verharrte er weiterhin in der Wachtrance der Garudajäger.
    Er wartete.
    Irgendwann zwischen zehn und elf Uhr vernahm er ein Geräusch.
    Seine Sinne, die sich ausgebreitet hatten, um alles aufzunehmen, ihm alles zu melden, konzentrierten sich augenblicklich auf diese eine Wahrnehmung. Er hielt den Atem an.
    Wieder. Der Hauch eines Flügelschlags, ein Schnappen wie von Segeln im Wind.
    Er wandte den Kopf und schaute in die Richtung des Geräuschs, nach unten, auf das Gewirr der Straßen, in die unheimliche Dunkelheit.
    Keine Reaktion von dem Wachtturm im Zentrum des Glashauses. Angstvorstellungen krochen in Yagharek empor. Vielleicht hatte man ihn allein gelassen, vielleicht war die Kuppel leer bis auf ihn und die Affenkonstrukte und tückische, schwebende Irrlichter am Grund der Straßen.
    Das Geräusch kam nicht wieder, aber ein tiefschwarzer Schatten zog durch sein Blickfeld. Ein riesiges Etwas stieg durch die Finsternis zum Dach der Kuppel hinauf.
    Entsetzt, auf einer halb bewussten Ebene, tief unter der ruhigen Oberfläche seiner Gedanken, fühlte Yagharek, wie er sich versteifte, den Eisenträger umklammerte und sich eng an die Verstrebungen der Kuppel schmiegte. Er riss den Kopf herum, suchte die Bewegung in den Spiegeln an seinem Helm.
    Eine grausige Kreatur klomm an dem inneren Skelett der Kuppel nach oben.
    Das Wesen befand sich fast genau ihm gegenüber, am Punkt der größtmöglichen Entfernung zwischen ihnen. Es hatte sich von irgendeinem Gebäude unten erhoben und mit wenigen Flügelschlägen die geringe Entfernung zur Glashülle überwunden, um sich Hand über Tentakel über Klaue nach oben zu hangeln, der kühleren Luft und dem grenzenlosen Himmel entgegen.
    Trotz des yajhu-saak begann Yaghareks Herz zu rasen. Er beobachtete in den Spiegeln, wie das Ding sich voranbewegte. Es übte eine unheilige Faszination auf ihn aus. Sein Blick verfolgte die schwarz geflügelte Silhouette, ein dämonischer Engel mit grotesken hornigen Auswüchsen, obszöne Säfte vertröpfelnd. In unregelmäßigen Abständen klappte der Gierfalter die Flügel auf und zu, wie um sie in der warmen Luft zu trocknen, während er mit einer grausigen, trägen Zielstrebigkeit der belebenden

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