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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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zu richten, um ihn in Flammen aufgehen zu lassen. Doch sie konnten den Blick nicht von den ausgebreiteten Schwingen losreißen und ihre Schreie und ihr Wollen vergingen unter dem unwiderstehlichen Bann der hypnotischen Farben und Formen.
    Yagharek schaute in seine Spiegel; er hütete sich, das Geschehen mit bloßem Auge zu verfolgen.
    Die beiden Falter, die noch unter der Wölbung der Kuppel hingen, ließen sich plötzlich fallen, stürzten erdwärts, um dann mit einem atemberaubenden, eleganten Bogen der Schwerkraft zu entfliehen. Sie schwebten an der steilen Flanke der Stufenpyramide hinauf, gleich Teufeln, den Abgründen der Hölle entstiegen, und manifestierten sich neben den erstarrten Kaktusleuten.
    Ein Greifarm schlängelte sich über den Boden und um das säulenartige Bein eines der Ältesten. Dünne Arme und begehrliche Krallen gruben sich in willenloses Kaktusfleisch, als die drei Gierfalter ihre Opfer auswählten und jeder einen hypnotisierten Ältesten packte.
    Unten, am Fuß des Tempels, herrschte heillose Verwirrung. Die Bewaffneten liefen im Kreis, brüllten sich gegenseitig an, richteten ihre Waffen in den Glashimmel, nahmen sie wieder herunter und fluchten. Sie konnten kaum etwas erkennen. Sie wussten nur, da wirbelten irgendwelche schattenhaften, fliegenden Wesen wie Blätter unter der Wölbung der Kuppel, und die Ältesten lenkten nicht länger, den Sonnenspeer.
    Einige besonders beherzte Krieger liefen zum Eingang des Tempels und die breite Treppe hinauf zur Spitze. Sie kamen zu spät. Sie konnten nichts tun. Die Falter schwangen sich von der obersten Plattform ohne Eile in die Luft; sie brachten es fertig, auch während des Fliegens den Bann ihrer Schwingen aufrechtzuerhalten. Jeder Falter tat einen kleinen Ruck nach unten, als seine Beute über den Rand der Plattform rutschte. Die drei Kaktusältesten baumelten in Schlingen, Hängematten aus Gierfalterextremitäten, und gafften stier in den gravitätischen Mahlstrom der Nachtfarben auf den Schwingen ihrer Entführer.
    Nur Sekunden, bevor der Rettungstrupp durch die Falltür auf das Dach stürmte, verschwanden die Falter. Einer nach dem anderen, in perfekter, nicht abgesprochener Ordnung, schwangen sie sich steil nach oben und schossen durch den Riss in der Kuppel. Sie schlüpften hindurch wie von einem Zauber gefeit, passierten ohne das geringste Zögern einen Spalt, der kaum breit genug war für ihre Schwingen.
    Ihre gelähmte Beute nahmen sie mit sich, schleppten den Ballast der schlaffen Körper mit abscheulicher Leichtigkeit in den Himmel über der Stadt.
    Die neben dem verlöschenden Sonnenspeer zurückgeblieben Ältesten kamen allmählich wieder zur Besinnung, schüttelten sich, bestürmten sich gegenseitig mit verwunderten Fragen, um dann in entsetztes Geschrei auszubrechen, als sie merkten, dass ihre Freunde fort waren. Sie heulten vor Wut und schwenkten den Sonnenspeer in die Höhe, zielten sinnlos in den leeren Himmel. Die jüngeren Krieger erschienen mit dem Köpfer im Anschlag, das Haumesser gezückt. Sie schauten bestürzt auf die trostlose Szene, die sich ihnen bot, und ließen die Waffen sinken.
    Erst dann, endlich, während die Kaktusleute blutige Rache schworen und ihre Waffen schüttelten, während ein Pandämonium von Geräuschen die Nacht erfüllte, während draußen die Gierfalter ihre Kreise über der dunklen Megalopole zogen, schüttelte Yagharek seine Trance ab und kletterte das letzte Stück an den Verstrebungen im Innern der Kuppel hinunter zu Boden. Die Affenkonstrukte folgten ihm.
     
    Der Garuda wählte seinen Weg so, dass er an der Rückseite der Häuser herauskam, auf dem kleinen Stück Land bei dem toten Kanal.
    Er sprang die letzten paar Meter zu Boden, landete geräuschlos und rollte sich auf dem geborstenen Pflaster ab. Er verharrte in der Hocke und lauschte.
    Es knirschte dreimal leise, als die Affenkonstrukte neben ihm aufkamen und auf Anweisungen warteten.
    Yagharek spähte in das trübe Wasser. Die Ziegel trugen einen schmierigen, dicken Bewuchs aus Schleim und Algen. An einem Ende, etwa zehn Meter innerhalb der Kuppel, bildete eine Ziegelmauer den schroffen Abschluss. Dies musste der Anfang eines kleinen Nebenarms der Hauptkanalisation gewesen sein. Am Fußkreis der Kuppel blockierte ein primitiver Damm aus Beton und Eisen den Durchfluss. Man hatte ihn so gut wie möglich abgedichtet, doch es blieben noch genügend Ritzen und Schwachstellen in dem durchfeuchteten Mauerwerk, dass von außen Wasser den Weg

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