Perfekte Manner gibt es nicht
Hocker.
In Jacks Augen wirkte der Raum wie das Paradies.
»Haben Sie ein Telefon, das ich benutzen könnte?«, fragte er, und die Blondine zeigte auf einen Münzfernsprecher an der Wand neben der Jukebox.
»Beeilen Sie sich.«
Jack öffnete die Tür etwas weiter, um Lou hereinzulassen, die hinter ihm stand und mit beiden Fäusten auf seinen Rücken schlug.
Als sie sich umschaute, glich ihr Lächeln einer strahlenden Sonne. »Bud’s!«, rief sie anerkennend. »Ich liebe Bud’s!«
»Bud ist nicht da«, erklärte die Frau hinter der Theke.
»Und ich sagte doch, Sie können nicht hierbleiben, weil wir noch geschlossen haben.«
»Oh …« Lou lehnte ihre Skier an die Wand neben der Tür und eilte zum TV-Gerät. »Schau doch, Jack, ein Fernseher!«
Auch Jack lehnte seine Skier an die Wand. »Ja«, bestätigte er und beobachtete Lou, die über das große Gerät strich wie ein Jockey, der ein geliebtes Pferd streichelt. »Großartig.« Dann setzte er sich auf einen Barhocker und wandte sich an die Blondine. »Ich weiß, Sie haben geschlossen, Miss. Trotzdem könnte ich ein Bier vertragen.« Dabei schenkte er ihr sein schönstes Lächeln, das, mit dem er die Rolle des Dr. Rourke in STAT ergattert und bekanntere Schauspieler aus dem Feld geschlagen hatte.
Offenbar hatte es seine Wirkung nicht verloren. Denn die Blondine starrte ihn an wie das Kaninchen die Schlange. Sie bewegte sich nicht einmal, um die Asche von ihrer Zigarette zu streifen. Schließlich nickte sie. »Klar. Nennen Sie mich Martha.«
»Danke, Martha«, sagte er und zwinkerte ihr zu, »Sie sind ein Engel.«
Martha wurde nicht rot. Das erstaunte ihn nicht, denn er kannte keine Frauen, die heutzutage noch erröteten, ausgenommen die eine in der Ecke, die wegen des Fernsehers in Ekstase geriet.
Nun nahm Martha die Zigarette aus dem Mund, lächelte schüchtern und strich ihr strähniges Haar hinter die Ohren.
»Ein Satellitengerät«, verkündete Lou und trat an Jacks Seite. »Mit siebenhundert Kanälen. Neun von HBO.«
»Wundervoll.« Jack hob das Bier hoch, das Martha auf die Theke gestellt hatte, und prostete ihr zu. »Cheerio.«
Da lächelte sie wieder, bevor sie Lou missbilligend musterte. »Wollen Sie auch was?«, fragte sie tonlos.
»Ja bitte.« Widerstrebend wandte Lou ihren Blick vom Fernseher ab. »Das Gleiche wie er.«
Ohne zu lächeln zapfte Martha noch ein Bier.
Lou zog ihr Handy aus der Handtasche. »Schau dir das an – siebenhundert Kanäle und immer noch kein Netz. Das Ding ist völlig tot. Vielleicht hätte ich es gestern Abend laden sollen. Aber das würde wahrscheinlich nichts ändern. Trotzdem müsste noch ein bisschen Strom drin sein …«
»Pst!« Jack hob eine Hand und wies mit seinem Kinn auf den Fernseher.
Als Lou sich umdrehte, starrte sie ihr eigenes Foto an – ein Bild von ihr in einem langen rosa Ballonrock. »O mein Gott!«, kreischte sie. »Was ist denn das? «
» Würden Sie den Ton lauter drehen, Martha?«, bat Jack höflich.
Die Blondine erfüllte den Wunsch, und die tiefe, vertraute Stimme eines CNN-Korrespondenten erklang. »Fast zweiundsiebzig Stunden sind vergangen, seit der Action-Star Jack Townsend und die Drehbuchautorin Lou Calabrese, eine Oscar-Preisträgerin, in der Nähe des Mount McKinley mit einem Hubschrauber abgestürzt sind.«
Lous Foto verschwand, und ein Porträt von Jack in einem Smoking erschien. Er erkannte das Bild wieder. Es war letzes Jahr bei der Golden-Globe-Verleihung entstanden.
»In der Hoffnung, Überlebende aufzuspüren, halten sich immer noch Suchtrupps in dem Gebiet auf«, fuhr der Reporter fort. »Bei der Absturzstelle wurden weder Jack Townsends noch Lou Calabreses Leiche gefunden. Heftige Winterstürme haben die Rettungsmannschaften behindert. Ein Sprecher des McKinley-Nationalparks erklärte, je länger die beiden vermisst würden, desto geringer seien ihre Überlebenschancen, was vor allem mit der arktischen Kälte zusammenhing.«
Auf dem Bildschirm flimmerten Luftaufnahmen des Terrains, in dem sich Lou und Jack seit drei Tagen herumtrieben. Dann wurden Fotos von Helikoptern gezeigt. Und die sahen genauso aus wie der Hubschrauber, vor dem sie sich soeben versteckt hatten.
»Townsend kam nach Alaska, um einen Film zu drehen, und Tim Lord, der Regisseur, ließ durch einen Sprecher verlauten, die ganze Hollywood-Gemeinde würde in Gedanken bei den Familien der beiden Absturzopfer weilen und um deren Rettung beten.«
Danach ging der Reporter zu einem Bericht über
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