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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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»Aber es muss doch einen Nachfolger geben, der im Falle eines Unglückes Adalberts Wissen übernimmt.«
    Der Mönch nickte. »Nun, Bruder Thomas, ein kluger Schüler, erlag einem Fieber, als Adalbert als Gast im Rupertsberg weilte. Es ist zu spät, wir können nichts mehr tun. Der Herr stehe uns bei.«
    »Soll das Wissen für alle Zeiten verloren sein? Das kann ich nicht glauben. So muss es noch Hinweise geben, Zeichen, die uns einen Weg aufzeigen.«
    »Wahrlich, Ihr seid ein vortrefflicher Untersucher«, sagte der Mönch resigniert. »Doch ich kann nichts für Euch tun. Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«
    »Gibt es denn nichts, was Ihr bei Eurem Bruder fandet? Führte er etwas bei sich, eine Nachricht oder gar ein Manuskript?«
    »Nein. Nichts von alledem. Als er unser Kloster verließ, trug er nur einen ledernen Beutel mit sich. Doch auch der war entschwunden.«
    »Was war in dem Beutel?«
    »Proviant.« Der Mönch lächelte höflich.
    Clemens lächelte zurück, doch in seinem Inneren tobte ein Sturm. Beinahe zwei Tage war er geritten, hatte Wind und Hagel getrotzt, war unerträglichen Zeitgenossen entkommen. Die Mönche hatte er gefunden, doch was hatte es ihm eingebracht? Ein paar Knochen waren von Adalbert noch übrig, und alles, was er in Erfahrung bringen konnte, war etwas, das er ohnehin erahnt hatte.
    Der Mönch hatte zu den Auserwählten gehört, die der Lingua Ignota gänzlich mächtig waren. Eine Sprache, die nun, mit seinem Tode, dem Vergessen anheimfiel. Die unglücklichen Vorfälle würden nun, da das Wissen vernichtet und das Andenken an Hildegard zerstört war, enden – dessen war Clemens sich sicher. Wer auch immer sich zum Ziel gesetzt hatte, den Namen der Meisterin zu schänden, hatte gesiegt.
    Beschämt dachte er an Elysa, die er in der Annahme eines großen Auftrages in dem ärmlichen Kloster zurückgelassen hatte. Würde sie ihm verzeihen können?
    Mit sorgenvoller Miene begleitete er Bruder Wenzel zurück zum schwankenden Boot und half ihm einzusteigen. Der Mönch nickte ihm aufmunternd zu. Plötzlich weiteten sich seine Augen.
    »Eines noch vergaß ich zu berichten«, begann er, während der Schiffer das Boot vom Ufer abstieß. »Ich maß dem keine Bedeutung zu, bis Ihr mit Euren Zweifeln kamt. Bruder Adalbert hatte Male, über den ganzen Körper verteilt. Es waren keine Blutmale, wie sie der Tod auf den Körper zeichnet, sondern große Wunden, als hätte er sich gegeißelt, und auch verbrannte Haut in großen Flächen. Ich war verwundert, denn nie sah ich Adalbert einen Büßergürtel umlegen. Auch war es ihm nicht erforderlich zu sühnen, denn Schreiben ist ein tugendhaftes Werk, das Sünden abgleicht und himmlischen Lohn verschafft Und wenn Ihr mich fragt, was seinen Tod herbeigeführt hat …« Das Boot entfernte sich langsam, der Mönch erhob die Stimme. »Ihr müsst mir verzeihen, ich war dem Anblick des grauenvollen Todes nicht gewachsen. Ich dachte an Gottes Vorsehung, an Erfüllung eines uns unbekannten Plans. Doch nun erst erkenne ich eine menschliche Hand, die ihm die Kehle zugedrückt haben muss, denn anders kann ich mir die tiefen Male nicht erklären, die seine Haut am Hals einkerbten.«
    Erdrosselt! Ein ungutes Gefühl beschlich Clemens. Befand sich der Mörder womöglich noch immer im Kloster? Er konnte Elysa nicht länger alleine lassen.

9
    E lysa hielt sich den krampfenden Magen. Von der Stirn rann ihr kalter Schweiß. Ihre Sinne taumelten, verfingen sich in einem Tafelbild, das an der Wand der Krypta lehnte, das Bild einer Frau, die ihr Antlitz ins himmlische Licht hielt. War es das Altarbild der seligen Hildegard, hatte es ihr nicht vordem den Rücken zugewandt? Die Farben tanzten im flackernden Licht der Fackel, grün und zinnober, türkis und braun. Intensive Farben, die sie in die Augen stachen.
    Was geschah mit ihr? Was war es für ein Gift, das ihr Bewusstsein durchsetzte und die Gedärme marterte?
    Ein Schrei kroch ihre Kehle empor, doch es entlud sich nur ein Wimmern, leise, fast unhörbar.
    Die Heilige auf dem Bild begann sich zu dehnen, veränderte Form und Farben, wurde größer und breiter. Mit einem Male schien sie im Raum zu stehen, umgeben von Drachen, die Feuer spieen und mit schuppigen Schwänzen um sich schlugen. Drachen sich windend wie Schlangen – sie rissen Elysa hinab in die Schwärze, die sich in ihrem Geist auftat.
    Elysa bäumte sich auf, wand sich vor Schmerz und Angst, ergab sich sodann aber dem Taumel: Auf, nur weg von dem schmerzlichen

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