Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
heiligen Hallen vorgelassen. Die Einrichtung im dritten Zimmer war bescheide ner als die in den vorherigen beiden. Wir setzten uns auf alte, wackelige Stühle. Ein wortkarger Mönch in roter Robe trat ein. Eine Weile starrte er uns über seine spitze Nase hinweg an und nahm dann Platz.
»Ich habe gehört, Sie wünschen mit dem ozeangleichen Lehrer zu sprechen.«
Mr. Kadam neigte den Kopf in stillschweigender Zustimmung.
»Bisher haben Sie Ihre Gründe nicht dargelegt. Werden Sie sie mir verraten?«
»Die Antwort, die ich Ihnen geben kann, ist dieselbe, die ich an den anderen gegeben habe«, sagte Mr. Kadam.
Der Mönch nickte. »Ich verstehe. Dann tut es mir leid, aber der ozeangleiche Lehrer hat keine Zeit für ein Treffen mit Ihnen, da Sie so zurückhaltend sind, was den Grund Ihres Kommens anbelangt.«
»Es ist aber sehr wichtig, dass wir mit ihm sprechen«, entrüstete ich mich. »Wir würden unsere Gründe ja preisgeben, aber wir wissen nicht, wem wir vertrauen können.«
Der Mönch sah uns nachdenklich an. »Vielleicht können Sie mir eine letzte Frage beantworten.«
Mr. Kadam nickte.
Der Mönch zog ein Medaillon unter seiner Robe hervor, reichte es Mr. Kadam und sagte: »Sagen Sie mir, was Sie sehen.«
»Ich sehe ein stilisiertes Bild, das dem Yin-Yang-Symbol ähnelt«, erwiderte Mr. Kadam. »Das Yin oder die dunkle Seite stellt das Weibliche dar, die helle Seite das Männliche. Die zwei Seiten sind in vollkommener Harmonie.«
Der Mönch nickte, als hätte er diese Antwort erwartet, und streckte die Hand nach dem Schmuckstück aus. Sein Gesicht war leer.
Ich wusste, er würde uns abweisen. »Dürfen wir das Medaillon sehen?«, beeilte ich mich zu sagen.
Seine Hand erstarrte mitten in der Bewegung, bevor er Kishan das Schmuckstück reichte.
Kishan drehte das Medaillon eine Weile hin und her und flüsterte: »Ich sehe zwei Tiger, einen schwarzen und einen weißen, die jeweils den Schwanz des anderen jagen.«
Der Mönch legte die Hände auf den Schreibtisch, als ich das Medaillon nahm und aufgeregt nickte. Ich warf erst Mr. Kadam einen raschen Blick zu, dann dem Mönch, der sich nun vorbeugte, um meine Antwort zu hören.
Das Medaillon ähnelte tatsächlich dem Yin-Yang-Symbol, aber eine Linie teilte es in zwei Hälften. Die Umrisse der beiden weißen und schwarzen Felder konnten mit viel Fantasie als Katzen beschrieben werden, weshalb Kishan wohl auf die Tiger gekommen war, jedes mit einem Punkt als Auge. Die Schwänze verwoben sich und wickelten sich um den Strich.
Ich blickte zum Mönch. »Ich meine eine Thangka zu sehen. Ein langer Faden in der Mitte stellt die Frau dar, dient als stabilisierende Kette, und der weiße und der schwarze Tiger sind beides Männer und winden sich um sie. Sie sind der Schuss, der den Stoff vervollständigt.«
Der Mönch schob sich näher. »Und wie wurde die Thangka gewebt?«
»Mit einem göttlichen Weberschiffchen.«
»Was verkörpert die Thangka? «
»Die Thangka bildet die ganze Welt ab. Der Stoff ist die Geschichte der Welt.«
Er setzte sich auf seinem Stuhl zurück und strich sich mit der Hand über die Glatze. Ich reichte ihm das Medaillon. Er nahm es, betrachtete es eindringlich und legte es wieder an. Dann erhob er sich.
»Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment.«
Mr. Kadam nickte. »Natürlich.«
Wir mussten nicht lange warten. Die junge Frau, die uns zuvor befragt hatte, bat uns, ihr zu folgen. Sie erklärte, man würde uns hier eine Unterkunft stellen. Unsere Taschen wurden aus dem Hotel geholt und uns auf unsere bequem eingerichteten, nebeneinanderliegenden Zimmer gebracht.
Wir nahmen ein frühes Abendessen ein, nach welchem sich Mr. Kadam und Kishan auf ihre Zimmer zurückzogen. Da ich nichts zu tun hatte, ging ich ebenfalls in meines. Die Mönche brachten mir Orangenblütentee, der eine schlaffördernde Wirkung hatte. Schon bald schlummerte ich tief und fest, wurde jedoch von unruhigen Träumen geplagt, in denen Ren so verzweifelt wie noch nie wirkte.
Diesmal war Ren noch besorgter um meine Sicherheit als sonst und drängte mich, sofort zu verschwinden. Er wiederholte pausenlos, dass Lokesh uns auf der Spur sei und ich so weit weg wie möglich fliehen solle. Die Träume fühlten sich real an, und ich wachte weinend auf. Es gab nichts, was ich tun konnte. Ich tröstete mich mit Durgas Versprechen, auf ihn aufzupassen.
Ich war bereits am Ende des Frühstücksbüfetts angelangt und löffelte Joghurt in eine Schüssel, als Mr. Kadam den
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