Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
nicht näher kannte. Aber soweit er es beobachtet hatte, spielte der Junge, der als rechter Verteidiger aufgestellt war, weder besser noch schlechter als alle anderen, die auf dem Platz standen. Der Trainer, ein unsportlicher Typ in Straßenkleidung, der sich diesen Job wahrscheinlich nicht ausgesucht hatte, sondern sich dazu hatte breitschlagen lassen, starrte den rasenden Fußballpapa stumm vor Schreck an. Sjöberg bemerkte, dass sogar die Frau, die den Mann begleitet hatte, aufgesprungen war und von der Tribüne aus wütend hinuntergestikulierte. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er reagierte, aber als er Simons verwirrtem Blick begegnete, kam eine Ruhe über ihn, wie er sie seit sehr langer Zeit nicht mehr empfunden hatte.
Er stand auf und ging mit raumgreifenden, entschlossenen Schritten – ein Auftreten, das er sich selbst gar nicht zugetraut hatte – die Stufen zum Fußballplatz hinunter. Auf der Tribüne war es mittlerweile still geworden, und sogar ein Spiel, das auf dem Nebenplatz stattfand, war zum Stillstand gekommen. Er legte seine Hand auf die Schulter des Mannes und brachte ihn mit dem ganzen Gewicht seines Körpers dazu, sich zu ihm umzudrehen. Sie waren gleich groß, aber Sjöberg fühlte sich wesentlich größer, als er mit ruhiger Stimme sagte:
»Was bist du denn für ein Vorbild? Ein erwachsener Mann, der über ein kleines Kind herfällt. Für mich bist du nicht mehr als ein armes Würstchen.«
Dann schob er den Mann auf die Tribüne zurück und drückte ihn auf den Platz, auf dem er vorher gesessen hatte.
»Du solltest dich auch besser wieder hinsetzen«, sagte er zu der Frau, die mittlerweile aussah, als wollte sie vor Scham im Boden versinken.
Als er sich dem Spielfeld wieder zuwandte, sah er, dass der rothaarige Junge angefangen hatte zu weinen. Aber dann, im stolzesten Augenblick seines Lebens, wurde er Zeuge, wie sein achtjähriger Sohn auf ihn zuging und ihm den Arm um die Schultern legte. Die anderen Jungen folgten seinem Beispiel, und nachdem der Trainer der gegnerischen Mannschaft einem seiner Spieler etwas ins Ohr geflüstert hatte, kamen auch die Jungs aus Marieberg herbei, um ihn zu trösten.
Sjöberg kehrte unter dem Applaus der Zuschauer zu seinem Platz auf der Tribüne zurück. Sjöberg versuchte, den Blicken auszuweichen, und betrachtete stattdessen über die Schulter hinweg mit Bewunderung die Traube von Kindern, die sich auf dem Spielfeld gebildet hatte.
Doch dann fiel sein Blick auf einen kleinen Jungen, der einsam im Tor der Heimmannschaft stehen geblieben war, und ihm war, als greife eine eiskalte Hand nach seinem Herzen.
Als Conny Sjöberg später am Nachmittag, mit einer Schürze bekleidet, in der Küche stand und Kartoffeln schälte, dachte er noch über das Geschehen nach. Er war gerade dabei, gemeinsam mit den Kindern das Abendessen vorzubereiten, als Sandén anrief und fragte, ob sie vielleicht ein Bier trinken gehen sollten.
»In die Kneipe?«, fragte Sjöberg verwundert. »Ich dachte, deine Schwiegereltern wären zu Besuch?«
Dann verstand er, woran Sandén ihn erinnern wollte, und ein unbehagliches Gefühl ergriff von ihm Besitz.
»Verdammt!«, rief er aus und schaute furchtsam zu Åsa hinüber, die mit den Zwillingen am Küchentisch saß und versuchte, ein Puzzle mit ihnen zu legen.
Sie sah auf und warf ihm einen Blick zu, der hätte töten können.
»Die Antwort auf deine Frage kann unter allen Umständen nur Nein lauten«, sagte Åsa bissig.
»Oje«, antwortete Sandén schadenfroh. »Hast du schon wieder in der Kirche gefurzt? Bis dann. Hoffentlich.«
Sjöberg legte den Hörer auf. Diese verdammte Weihnachtsfeier hatte er komplett vergessen. Einen Moment lang überlegte er, ob er absagen sollte, aber das war undenkbar. Die Feier war schließlich seine Idee gewesen, und er fand sie wichtig für das Teambuilding, wie es heutzutage so schön hieß. Allerdings war er auch die ganze Zeit dagegen gewesen, dass diese Weihnachtsfeier samstags und im November stattfinden sollte. Aber so lief es nun mal, wenn man nicht am Ball blieb. Er hatte die Sache an Hamad delegiert, und jetzt musste er eben in den sauren Apfel beißen.
»Wir haben heute unsere Weihnachtsfeier«, teilte Sjöberg zerknirscht seiner Frau mit. »Das hatte ich vollkommen vergessen.«
»Mit Begleitung natürlich, vermute ich«, bemerkte Åsa bissig.
»Du weißt genau, dass das Budget dafür nicht ausreicht.«
»Tja, ich werde heute auch auf eine Weihnachtsfeier gehen. Dann wirst du
Weitere Kostenlose Bücher